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"Es gab viel Hilfsbereitschaft"

Das Thema Flüchtlinge ist im Alltag nach wie vor präsent. Julia Graff aus der Klasse 9a des Lörracher Hebel-Gymnasiums traf sich mit Markus Greiß vom Freundeskreis Asyl Lörrach, um mit ihm über die Situation von Flüchtlingen in der Kreisstadt zu sprechen. Das Gespräch fand am 26.Oktober statt.  

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Das Thema Flüchtlinge ist im Alltag nach wie vor präsent. Julia Graff aus der Klasse 9a des Lörracher Hebel-Gymnasiums traf sich mit Markus Greiß vom Freundeskreis Asyl Lörrach, um mit ihm über die Situation von Flüchtlingen in der Kreisstadt zu sprechen. Das Gespräch fand am 26.Oktober statt.

Zischup: Wie ist der Freundeskreis Asyl Lörrach entstanden?
Greiß: Als im Sommer 2014 die Bilder von auf dem Mittelmeer in Seenot geratenen Flüchtlingen die Nachrichten prägten, war klar, dass zunehmend Flüchtlinge nach Deutschland und Lörrach kommen würden. Vor diesem Hintergrund wurde geplant, eine Flüchtlingsunterkunft in Brombach zu bauen, wogegen sich eine Bürgerinitiative formierte. Als Reaktion darauf gründete sich der Freundeskreis Asyl Lörrach. Der Freundeskreis wollte dazu beitragen, dass Asylsuchende in Lörrach gut aufgenommen werden.

Zischup: Wie sind Sie persönlich zum Freundeskreis Asyl gekommen?
Greiß: Die Zeitung, für die ich als freier Journalist arbeite, hat mich zu einem Gründungstreffen des Freundeskreises geschickt. Bei dieser Gelegenheit bin ich beim Freundeskreis hängengeblieben. Seit Sommer 2014 verfasse ich die meisten Texte der Freundeskreis-Website und lade die Presse zu Veranstaltungen ein.

Zischup: Wie hat sich die Zahl der neu angekommenen Flüchtlinge in Lörrach seit 2014 entwickelt?
Greiß: Nach einem ruhigen Start entwickelte sich die Situation in der Stadt Lörrach rasant: Nach der Gründung unseres Freundeskreises im Sommer 2014 kamen die ersten 35 Flüchtlinge erst im Oktober 2014 in die Gemeinschaftsunterkunft, kurz GU, Gretherstrasse. Nach und nach wurde die GU mit rund 130 Flüchtlingen belegt. Im Zuge des starken Zustroms wurden Ende 2015 dann die Notunterkünfte in Hauingen für knapp 150 Leute und in Brombach für etwa 200 Personen eingerichtet. Nach einem halben Jahr schloss die Notunterkunft (NU) Hauingen und wurde durch die NU im Innocel-Quartier ersetzt. Weil mittlerweile immer weniger Flüchtlinge nach Lörrach kommen, leeren sich diese Gemeinschafts- und Notunterkünfte nach und nach. Denn immer mehr Personen ziehen in die Anschlussunterbringungen um. Dadurch verlagert sich unsere Hilfe jetzt von der "Nothilfe" – also Essensausgaben, Kleiderspenden, Fahrdienste – zur Integrationshilfe. Die Menschen kommen aus völlig anderen Kulturen zu uns und müssen sich in unserem Alltag zurechtfinden und einleben. Dabei brauchen sie Unterstützung.

Zischup: Aus welchen Ländern kommen die Flüchtlinge?
Greiß: Je nach Bleiberechtsperspektive wird zwischen Ländergruppen unterschieden. Die besten Chancen haben Asylsuchende aus Syrien, Iran, Irak, Eritrea und Somalia. Eine eher unsichere Perspektive haben etwa Flüchtlinge aus Pakistan, Afghanistan oder Gambia. Und dann gibt es die Gruppe der so genannten "sicheren Herkunftsländer", zu denen die Westbalkanstaaten zählen. Menschen aus diesen Ländern haben nur eine geringe Aussicht auf Asyl.


Zischup:
Flüchten Menschen eher alleine oder im Familienverbund?
Greiß: Aus vom Krieg verwüsteten Städten wie Aleppo sind oft ganze Familien geflüchtet. Aus Ländern wie Gambia sind dagegen in erster Linie alleinstehende junge Männer nach Lörrach gekommen.

Zischup: Wie sieht der Bildungsstand der Flüchtlinge aus?
Greiß: Manche Flüchtlinge haben eine sehr gute Ausbildung durchlaufen. Einige haben in ihrem Land sogar studiert. Es gibt aber auch Menschen, die noch nie eine Schule besucht haben und Analphabeten sind.



Zischup:
Wollen die Flüchtlinge dauerhaft in Lörrach bleiben oder möchten sie zurück in ihre Heimat?
Greiß: Neulich stand in einem Artikel über syrische Flüchtlinge in Deutschland, dass 80 Prozent dieser Menschen hierbleiben wollen. Ich denke, dass die Leute, die einen Aufenthaltsstatus bekommen, auch mehrheitlich bleiben möchten.

Zischup: Werden die Flüchtlinge von der Lörracher Bevölkerung akzeptiert?
Greiß: Wie überall in der Gesellschaft gibt es auch in Lörrach unterschiedliche Einstellungen zur Aufnahme von Flüchtlingen. Wir haben aber generell viel Hilfsbereitschaft erlebt: Auf unsere Hilfsaufrufe, die sich anlässlich der Eröffnung der Notunterkünfte gehäuft hatten, packten viele Bürger an. Sie fuhren Flüchtlinge zur Anmeldung ins Rathaus, gaben Essen aus oder halfen bei Veranstaltungen.

Zischup: Gibt es bereits ein Konzept für den Verbleib der Flüchtlinge?
Greiß: Aktuell rückt immer mehr die Anschlussunterbringung in den Mittelpunkt. Das bedeutet, dass Flüchtlinge zunehmend aus den GUs in übliche Wohnungen umziehen werden.


Zischup:
Welche Möglichkeiten haben Flüchtlinge und vor allem Kinder hier?
Greiß: Schulpflichtige Kinder besuchen mittlerweile in der Regel den Unterricht – und die Jüngeren oft den Kindergarten. Das trägt sehr zur Integration bei. An der Dualen Hochschule wird jungen Erwachsenen eine tolle Chance geboten, ein vorbereitendes Studium zu absolvieren: Hierbei liegt der Schwerpunkt auf dem Spracherwerb sowie der Möglichkeit, in einen Betrieb hineinzuschnuppern. Darüber hinaus gibt es ein neues Arbeitsmarktprogramm des Bundes namens Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen. Es zielt darauf ab, Flüchtlingen Arbeitsgelegenheiten zu vermitteln. Durch das Programm sollen sie an die Arbeitswelt herangeführt werden.

Zischup: Was kann man als Bürger zu einer gelungenen Integration beitragen?
Greiß: Als Bürger kann man zunächst einmal offen für eine Begegnung mit Flüchtlingen sein – etwa bei Anlässen wie den "FunOlympics", die letzten Sommer im Grüttparkstadion stattfanden. Man kann natürlich auch Geld spenden. Aktuell treibt der Freundeskreis Asyl Lörrach zusammen mit dem Freundeskreis Asyl Rheinfelden, dem Arbeitskreis Miteinander und der Caritas das spendenfinanzierte Projekt "Traumanetzwerk" voran. Es zielt darauf ab, traumatisierten Flüchtlingen im Landkreis Lörrach zu einer Therapie zu verhelfen. Eine andere zeitintensivere Hilfsmöglichkeit besteht darin, eine Patenschaft für Flüchtlinge zu übernehmen und sie bei der Integration zu unterstützen. Dabei geht es oft um Dinge, die für uns ganz alltäglich sind. Wie funktioniert die Mülltrennung, wie verhalte ich mich im Straßenverkehr und wie komme ich zum Arzt? Diese Fragen stellen für Flüchtlinge, die die deutsche Sprache noch nicht gut beherrschen, oft unüberwindbare Hürden dar. Paten können hier eine große Hilfe sein.

Ressort: Schülertexte

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