Es gab eine subtile Form der Renitenz
Vor 70 Jahren wurde in Berlin der Aufbau-Verlag gegründet, einst der einflussreichste Literaturverlag des Ostens.
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Nach der Gründung der DDR 1949 avanciert Aufbau rasch zum wichtigsten und einflussreichsten Literaturverlag des Ostens – große Namen wie Christa Wolf und Anna Seghers, Hans Fallada und Lion Feuchtwanger, Egon Erwin Kisch und Erwin Strittmatter sind unverbrüchlich mit ihm verbunden. Bis 1991 erscheinen nach Angaben des Verlagschronisten Carsten Wurm insgesamt 4500 Erstauflagen in 125 Millionen Exemplaren.
Aber: "Der Verlag ist mehr als nur die DDR. Er wurde vor der DDR gegründet und hat sie jetzt 25 Jahre überlebt", sagt Verlagsleiter Gunnar Cynybulk (44), zusammen mit Reinhard Rohn seit 2014 Geschäftsführer. "Es ist auch ein gesamtdeutscher Literaturverlag mit hohem Qualitätsanspruch."
70 Jahre nach der Gründung gehört das einstige literarische Flaggschiff der DDR heute nach Häusern wie Hanser, Suhrkamp oder Diogenes zu den wenigen deutschen Verlagen, die noch unabhängig von einem großen Konzern sind. Dabei schien das traditionsreiche Unternehmen 2008 am Ende. Der Frankfurter Investor Bernd F. Lunkewitz, der Aufbau nach dem Ende der DDR 1991 von der Treuhandanstalt übernommen hatte, meldete Insolvenz an – ungeachtet großer Erfolge etwa mit den Tagebüchern des Holocaust-Chronisten Victor Klemperer (1995) und dem Rekordtitel "Die Päpstin" (1996) von Donna W. Cross.
Als der Immobilieninvestor und frühere Deutschlehrer Matthias Koch einstieg, war die Branche dem Quereinsteiger gegenüber skeptisch. Doch innerhalb von wenigen Jahren schaffte es der Kaufmann, das Unternehmen aus den roten Zahlen zu bringen und in einer größeren Verlagsgruppe neu aufzustellen.
"Der Aufbau Verlag ist die stärkste Marke der Gruppe und erzielt mehr als zwei Drittel der Erlöse, er ist sozusagen das Mutterschiff", sagt Koch, der 2011 im Berliner Stadtteil Kreuzberg das neue "Aufbau Haus" als Kultur- und Kreativzentrum eröffnete – und derzeit weiter ausbaut. Für dieses Jahr rechnet Verlagsleiter Cynybulk mit einem Umsatz von rund 13 Millionen Euro. "Im Bestseller-Ranking des Buchreports stehen wir nach Bestsellerpunkten auf Platz 14, das ist schon beachtlich", sagt er. Nach der Trennung von den langjährigen Geschäftsführern René Strien und Tom Erben will er "neue starke Stimmen" als Autoren gewinnen, aber auch die Tradition nicht vergessen.
Denn selbst zu DDR-Zeiten hatte das Haus seiner Einschätzung nach eine gewisse Eigenständigkeit. "Natürlich war der Verlag als Kulturunternehmen in einer Diktatur nicht völlig frei. Aber es gab hier viel Zivilcourage und Mut und auch eine subtile Form der Renitenz." So wurde 1956 der damalige Verlagsleiter Walter Janka verhaftet, weil er sich für eine Abschaffung der Vorzensur eingesetzt hatte.
Übrigens: Zu den vier Herren, die an jenem 16. August den Verlag ins Leben riefen, gehörte auch der antifaschistische Widerstandskämpfer Klaus Gysi, Vater von Linken-Fraktionschef Gregor Gysi. Nicht zuletzt deshalb wird der Sohn bei der offiziellen Jubiläumsfeier am 5. September den Festvortrag halten – Motto: "Gestern. Heute. Aufbau."
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