Deutschland/Frankreich

Elsässische Schüler lernen deutsche Unternehmen kennen

Jugendliche aus dem Elsass lernen bei einem Praktikum in Lahr die deutsche Arbeitswelt kennen – mit Blick auf eine Ausbildungsstelle.  

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Der erste Schritt Richtung Arbeitsplatz soll ein Schnupperpraktikum sein. Foto: dpa

LAHR. Im einen Land fehlen Arbeitskräfte in der Wirtschaft, im anderen haben junge Menschen keine Arbeit. Dazwischen verläuft eine Grenze – die deutsch-französische. Ein Projekt der Industrie- und Handelskammer (IHK) Südlicher Oberrhein soll elsässische Schüler und deutsche Unternehmen bei einwöchigen Praktika zusammenbringen.

Zwei junge Französinnen haben am Freitag ihr Praktikum bei Schwarzwald-Eisen in Lahr beendet. Ob sie eines Tages in Deutschland arbeiten werden, ist noch unklar. Bis sie ihren Abschluss in der Tasche haben, vergehen erst einmal noch zwei Jahre. Doch ein Anfang ist getan, der Kontakt geknüpft, den beiden gefällt der deutsche Arbeitsalltag. "Alle waren sehr nett", erzählt die 15-jährige Lucie Roettele. Sie und ihre Klassenkameradin Anastasia Haby durften in den fünf Tagen viel machen – Kundenaufträge annehmen, telefonieren, Artikel kommissionieren. Anastasia konnte sogar einmal mit dem Lkw mitfahren – um auch das Ende der langen Vertriebskette kennenzulernen.

Das ist für junge Franzosen nicht normal, weiß Tanja Bohner-Auer, die das Personalwesen von Schwarzwald-Eisen leitet. In Frankreich dürften Praktikanten meist nur beobachten und nichts selbst machen. "Bei uns läuft es weniger hierarchisch ab als in Frankreich", sagt Steffen Auer, Geschäftsführer des Unternehmens und außerdem Präsident der IHK Südlicher Oberrhein. Praktikanten sollen seiner Meinung nach sofort Verantwortung im Betrieb übernehmen, wie die Angestellten eben auch.

Zu Beginn des Praktikums fiel es Anastasia aber noch schwer, Deutsch mit den Kollegen von Schwarzwald-Eisen zu sprechen – trotz fünf Jahren Deutschunterricht in der Schule in Erstein. Eine Vokabelliste, die sie und ihre Klassenkameradin Lucie am ersten Tag bekamen, half dann aber doch. Jetzt – eine Woche später – sitzen Wörter wie Lieferschein, Auftrag, Lkw und Stahl ganz gut, erzählen die Schülerinnen stolz.

Daniel Bieth, Schulleiter des Collége Romain Rolland in Erstein will voraussichtlich im Dezember einigen seiner Schüler ein Praktikum in Lahr und Umgebung ermöglichen. Er kennt die kulturellen Unterschiede, die bei einem solchen Praktikum deutlich werden können. "Französische Schüler ziehen sich gerne zurück, wenn sie einen Fehler gemacht haben." Verantwortung zu übernehmen kennen sie nicht. "Vielleicht ist das auch die Schuld von uns Lehrern", räumt er ein. Anastasia und Lucie haben in Lahr jedoch recht schnell gemerkt, dass sie sich trauen können, selbstständig zu arbeiten.

Die IHK wird auch Bieths Schüler vermitteln. Wenn klar ist, welche Bereiche sie interessieren, dann werden die passenden Unternehmen gesucht. "Von einigen wissen wir schon, dass sie Interesse haben, französischen Schülern ein Praktikum anzubieten, andere werden noch angesprochen", berichtet Karin Finkenzeller, die sich bei der IHK Südlicher Oberrhein um die Aus- und Weiterbildung kümmert. Sie hofft auf große Bereitschaft vonseiten der Unternehmen.

Anastasias und Lucies Schulleiter Jean Engel ist begeistert vom Projekt. "Es zeigt, dass die deutsche Sprache, die unsere Schüler lernen, Anwendung findet." Mit Deutschkenntnissen habe man – obwohl Englisch und Spanisch in der Wirtschaft immer wichtiger würden – in der Wirtschaft am Rhein Chancen auf Arbeit. Im Elsass liegt die Jugendarbeitslosigkeit laut Finkenzeller bei 25 Prozent. Für seine Schülerinnen war deshalb klar, dass sie dieses Praktikum in Lahr machen wollten. Die Eltern haben mit Blick auf die Zukunft der Kinder ein bisschen nachgeholfen. "Mein Vater arbeitet in Deutschland und meine Mutter ist Deutschlehrerin", erzählt Anastasia.

Bereits im Februar kamen 49 Jugendliche nach Freiburg und Eschbach für ein Praktikum, das sie sowieso in Frankreich machen mussten. Diese in Deutschland war der Testlauf. Es sollen noch viele junge Franzosen für ein Schnupperpraktikum an den Oberrhein kommen. Dafür setzen sich die Kooperationspartner IHK Südlicher Oberrhein, die Academie de Strasbourg sowie die Handwerkskammer Freiburg und der Verein Eltern Alsace ein.

Der Geschäftsführer von Schwarzwald-Eisen in Lahr ist zufrieden mit dem Startschuss des grenzüberschreitenden Projekts – und mit Anastasia und Lucie. "Wir könnten den beiden gleich eine Ausbildungsstelle anbieten – aber sie müssen ja erst mal die Schule fertig machen", sagt Auer.

Er hofft, dass durch das Projekt deutsche Firmen und Beschäftigungsmöglichkeiten bei jungen Franzosen bekannt werden, dass vielleicht sogar der Kontakt zu den Praktikanten gehalten werden kann. Dann könnten Firmen die jungen Menschen schließlich einstellen und so dem Arbeitskräftemangel entgegenwirken. Die Jugendarbeitslosigkeit so zu senken, hoffen die Projektpartner auf französischer Seite.

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