Eine Frage der Gene

Ein italienisches Paar muss sein Kind abgeben, weil es mit fremdem Sperma und fremder Eizelle gezeugt wurde / Urteil in Straßburg.  

Zu den Kommentaren
Mail

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen

STRASSBURG (dpa). Italien setzt sein Verbot von Leihmutterschaft rigoros durch. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechten gibt dem Land jetzt Rückendeckung: Ohne biologische Verwandtschaft zum Kind bleibt es für Paare, deren Kind von einer anderen Frau ausgetragen wurde, schwierig.

Im Februar 2011 wird in Moskau ein Junge geboren. So viel steht fest. Doch bereits auf die simple Frage nach den Eltern gibt es viele Antworten: Ist es das italienische Paar Donatina und Giovanni? Die russische Leihmutter? Oder doch die beiden Unbekannten, die ihren Samen und ihre Eizellen gespendet haben?

Am Ende fehlt dem Kind formal sogar über Monate eine Identität. Es wird Donatina und Giovanni weggenommen, kommt in ein Waisenhaus, später zu einer Pflegefamilie. Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wehrt sich das Paar dagegen, letztlich erfolglos. Am Dienstag lehnen die Straßburger Richter ihre Beschwerde endgültig ab. Die italienischen Behörden durften das Kind den Wunscheltern wegnehmen, um "Unordnung zu verhindern".

In Italien, dem Heimatland von Donatina und Giovanni, ist die Leihmutterschaft nämlich verboten – wie in Deutschland. Russland hat dagegen – wie etwa auch die Ukraine oder die USA – weniger Probleme. Vom Wunsch beseelt, ein Kind zu haben, ohne langwierige Adoptionsverfahren durchstehen zu müssen, ist das Paar nach Moskau gereist und hat dort einen Leihmutterschaftsvertrag abgeschlossen.

Besonders – und für die Entscheidung der Straßburger Richter mit ausschlaggebend – an dem Fall ist, dass weder er noch sie genetisch mit dem Kind verwandt sind. Ob der Italiener das nun wusste oder in der Klinik irgendetwas nicht so gelaufen ist, wie es hätte laufen sollen, blieb unklar. Die italienischen Behörden stellten den guten Glauben des Paares jedenfalls in Frage. Sie warfen ihm Narzissmus vor – die beiden hätten mit dem Kind ihre Beziehungsprobleme lösen wollen.

Worum es wohl eher ging: um die Durchsetzung der Wertvorstellung, dass Leihmutterschaft nicht sein darf. In erster Instanz hatte das Menschenrechtsgericht Italien dazu verurteilt, dem Paar eine Entschädigung zu zahlen. Der Verweis auf die öffentliche Ordnung könne kein Freibrief sein. "Ein Kind aus einer Familie zu nehmen, ist eine extreme Maßnahme, die nur als letztes Mittel in Betracht kommen sollte" – und zwar dann, wenn das Kind wirklich gefährdet ist. In zweiter Instanz rückte das Kindeswohl nun in den Hintergrund und das Interesse des Staates, ein Leihmutterschafts-Verbot durchzusetzen, in den Vordergrund.

Warum aber ist die Leihmutterschaft in so vielen europäischen Ländern verboten? "Der Gesetzgeber befürchtet eine Kommerzialisierung", sagt Medizinrechtler Hans-Georg Koch. "Denn die Frau, die das Kind über neun Monate lang austrägt, muss ja irgendwie entschädigt werden." Außerdem: Was passiert, wenn das Kind nicht wie vorgestellt ausfällt, es behindert ist oder Zwillinge geboren werden? Oder die Leihmutter überlegt es sich anders und will das Kind behalten?

Trotz des Verbots nehmen auch Deutsche immer häufiger Leihmütter in Anspruch – eben im Ausland, sagt Rechtsanwalt Rolf Behrentin. "Bei mir nehmen die Fälle seit ein paar Jahren zu." Befördert haben dürfte dies eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 2014. Die Karlsruher Richter erkannten damals ein schwules Paar als Eltern für ein Kind an, das eine Leihmutter in den USA ausgetragen hatte.

"Die Rechtsprechung tendiert dazu, Umgehungen des Leihmutterschafts-Verbots zum Wohl des Kindes hinzunehmen", sagt der Anwalt. Auch bei den Jugendämtern steht das Kindeswohl an erster Stelle: "In Deutschland werden Kinder ganz selten aus den Familien herausgenommen", sagt Behrentin. "Das passiert zum Beispiel dann, wenn ein Verdacht von Kinderhandel besteht."

Ein Fall wie der in Italien, in dem beide Partner nicht mit dem Kind verwandt sind, ist in Deutschland noch nicht bekannt geworden. Sicher habe eine solche Konstellation den "Makel einer Bestellung", sagt Familien-Rechtsanwalt Michael Stern. Manche Menschen könnten da auf fatale Ideen kommen, sagt der Anwalt. "Irgendwann wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden müssen, ob eine genetische Verwandtschaft für die rechtliche Anerkennung der Elternschaft zwingend sein darf", da ist sich Stern sicher. "Oder ob das Kindeswohl absolut im Vordergrund steht – wie etwa bei der Adoption."

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel