Eine Don-Quichotte-Mission
NEU IM KINO: Icíar Bolaíms "El Olivo" erzählt auch vom krisengeschüttelten Spanien.
Michael Schwickert
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Mittlerweile ist Alma (Anna Castillo) erwachsen und der Großvater lebt in seiner eigenen abgeschlossenen Welt. Als die Söhne den alten Baum verkauft haben, um mit dem Erlös die Bestechungsgelder für ein Restaurant am Meer zu finanzieren, hat er aufgehört, mit der Familie zu sprechen. Nach all den Jahren weiß keiner mehr, ob das strafende Schweigen immer noch Trotz oder doch schon Demenz ist. Aber wer den alten Mann anschaut, erkennt, dass das Leben aus seinem Körper zu weichen beginnt. "Er trauert", sagt Alma. Und sie weiß, dass es dabei nicht um die vor langer Zeit verstorbene Ehefrau geht, sondern um den alten Olivenbaum, der mit schwerem Gerät gewaltsam aus der Erde gerissen und nach Deutschland gebracht wurde, wo er im Atrium eines Energiekonzerns als Logo für das vermeintlich nachhaltige Unternehmenskonzept steht. In einer echten Don-Quichotte-Mission macht sich Alma mit ihrem Onkel Alcachova (Javier Gutiérrez) und dem stillen Verehrer Rafa (Pep Ambròs) auf nach Düsseldorf, um den geliebten Baum zurückzuholen.
Auf dem Papier klingt die Geschichte von Icíar Bolaíms "El Olivo" nach einer naturmetaphorisch überladenen Schnulze. Aber das Skript stammt aus Feder von Bolaíms Lebensgefährten Paul Laverty, der als langjähriger Drehbuchautor von Ken Loach die Balance zwischen Pathos und Realismus gründlich eingeübt hat. Und so ist "El Olivo" weit mehr als ein Mein-Freund-der-Baum-Film, sondern spiegelt im engsten Familienkosmos die gesamtgesellschaftliche Desillusionierung im krisengebeutelten Spanien. Der Schlüssel hierfür ist eine junge Heldin, die die ganze Wut ihrer Generation in sich trägt.
Mit forschem Schritt bahnt sich diese Alma, die von der Debütantin Anna Castillo mit Verve verkörpert wird, durch das Hühnermeer im Geflügelzuchtbetrieb. Wenn der Chef ihr dumm kommt, bewirft sie sein Auto mit Eiern. Mit dem Vater spricht sie kaum noch, weil sie genug hat von dieser ganzen verlogenen Sippschaft, die in den Jahren des Booms das schnelle Geld machen wollte und mit der Krise in den Ruin geschlittert ist.
Das Restaurant am Meer ist längst eine geplünderte Betonruine wie viele andere, gerade in Spanien, wo die Immobilienspekulation ganze Landstriche verwüstet hat. Dass Alma den Baum in den heimischen Olivenhain zurückholen will, ist ein irres, aussichtsloses Unterfangen, auch wenn sich ein paar deutsche Politaktivisten zu einem solidarischen Hashtag zuammentun.
Andererseits traut man dieser wütenden, wild entschlossenen, jungen Frau alles zu. Ihr blinder Aktionismus ist auch Ausdruck einer jugendlichen Lebensenergie einer verlorenen Generation, die zusehen muss, wie sie in dem Scherbenhaufen eine neue Existenz aufbaut. Am Schluss wird ein Olivenzweig in die Erde gepflanzt. Ein etwas plattes Symbol der Hoffnung – aber auch der Ausdruck einer verloren gegangenen Haltung, die Zukunft über das eigene irdische Sein hinaus denkt – und heute notwendiger denn je wäre.
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