Account/Login

Ein Unternehmen auf Abruf

Die Nachricht vom Ende der Energieversorgung Titisee-Neustadt (EVTN) hat eingeschlagen. Wie ist es zu dem Aus gekommen – und welche Auswirkungen hat es?.  

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen
"Es ist ein harter Schlag", sagt Nikola Wangler, Vorstandsvorsitzende der Vita-Energiegenossenschaft, zu dem vergangene Woche verkündeten Ende der EVTN (BZ-Ausgabe vom 12. Oktober). Mit 290.000 Euro war die Vita einst bei dem Energieunternehmen eingestiegen und anfangs mit zehn Prozent an ihm beteiligt gewesen. Seit 2023 hielten die Genossen noch 3,46 Prozent. Wie viel Geld sie nach dem geplanten Verkauf von Wärmenetz und Wärmevertrieb bekommen, ist noch unklar: "Die Bewertung läuft."

Zahlreiche Anrufe und Mails von Genossinnen und Genossen hat Wangler in den vergangenen Tagen erhalten: "Die Unsicherheit ist groß."Als bitter bezeichnet sie rückblickend, dass die EVTN nie als das gesehen wurde, was sie war: der regionale Anbieter von regenerativer Energie – und damit ein Pfund, wenn es um die Energiewende vor Ort und Unabhängigkeit gehe. Stattdessen habe es auch im Gemeinderat immer wieder negative Stimmen gegen die Stadtwerke gegeben. Die schlechten Nachrichten der vergangenen Jahre und der stockende Ausbau des Wärmenetzes – "eine Herzensangelegenheit der Vita" – hätten es der Genossenschaft zuletzt sehr schwer gemacht, neue Mitglieder zu werben.

Schwierig war auch der Start der EVTN: Kaum hatte das junge Unternehmen das Stromnetz in der Stadt von Energiedienst übernommen, meldete der vorherige Konzessionär kartellrechtliche Bedenken an, die das Bundeskartellamt schließlich dazu veranlassten, die Konzessionsvergabe für nichtig zu erklären. Also musste die EVTN abermals in den Bewerbungsprozess um das Netz einsteigen. Das brachte viel Aufwand und machte das Unternehmen zu einer Firma auf Abruf.

Kaum war 2018 erneut die Konzessionsvergabe an die EVTN erfolgt, gab es weitere Turbulenzen – unter anderem die Personalpolitik erwies sich als unglücklich. Als der damalige Stadtkämmerer Andreas Graf, der die Stadt in der Geschäftsführung der EVTN zuvor vertreten hatte, als Bürgermeister nach Lenzkirch wechselte, blieb sein einstiger Posten auf Jahre hinaus vakant. Die Stadt war damit – obwohl Mehrheitseigner – in der Geschäftsführung nicht mehr vertreten.

Die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) stellten in der Folge über Jahre hinweg den einzigen Geschäftsführer. Dieser war eigentlich nur als technischer Geschäftsführer vorgesehen, musste nun aber auch den kaufmännischen Part mit übernehmen. In dieser Konstellation leistete er sich einen eklatanten Fehler, wie man bei den EWS heute auch einräumt: Ein wichtiges Schreiben der Regulierungsbehörde, das erhebliche Auswirkungen auf das Unternehmen hatte, blieb zwei Jahre lang unbeachtet.

Weil damit rückwirkend in der Bilanz Rückstellungen gebildet werden mussten, wurde es nötig, den bereits festgestellten Jahresabschluss 2019 zu korrigieren. Das sorgte nicht nur für Unruhe, sondern ließ die EVTN auch tief in die roten Zahlen rutschen. Besonders dramatisch wurde die Situation, weil sich zugleich immer deutlicher zeigte, wie dramatisch die Eigenkapitalquote zuletzt geschrumpft war. Das hatte wiederum seine Ursachen zum einen in der staatlichen Netzregulierung, die den Netzbetrieb immer unattraktiver gemacht hatte. Zum anderen dezimierte auch der Bau des Neustädter Nahwärmenetzes die Liquidität.

Im Rahmen der Abwicklung werden die Geschäftsfelder der EVTN nun separat behandelt. Die Stromkunden bekommen ein Angebot, zu EWS zu wechseln. Das Wärmenetz dürfte einer der beiden energiewirtschaftlichen EVTN-Gesellschafter übernehmen – sowohl EWS, wie auch Badenova betreiben schließlich Wärmenetze. Die Verhandlungen laufen.

Nur die Stromkonzession, die aus formalen Gründen nicht einfach an ein anderes Unternehmen durchgereicht werden kann, muss zwingend bei der EVTN bleiben. Diese bleibt somit noch als Hülle bestehen. Da zwar nicht das Unternehmen, aber doch die Gesellschafterstruktur wechseln darf, wird Badenova die Netzgesellschaft komplett übernehmen. Faktisch wird die Konzession damit an Badenova gehen. Und mit der nächsten Konzessionsvergabe dürfte dann auch der Name EVTN endgültig Geschichte sein. Für die Energiegenossenschaft geht es weiter: "Wir sind auch ohne EVTN lebensfähig", sagt Wangler. Man konzentriere sich nun auf eigene Projekte, allen voran die Umsetzung der Freiflächensolaranlage am Kapf. Für sie wird derzeit nach einer Ausgleichsfläche gesucht.

Ressort: Titisee-Neustadt

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 19. Oktober 2024: PDF-Version herunterladen

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare

Liebe Leserinnen und Leser,
die Kommentarfunktion ist aktuell geschlossen, es können keine neuen Kommentare veröffentlicht werden.

Öffnungszeiten der Kommentarfunktion:
Montag bis Sonntag 6:00 Uhr - 00:00 Uhr


Weitere Artikel