Ein Leben voller Kompromisse
Anke Stellings Jugendroman "Erna und die drei Wahrheiten".
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Ein Leben voller Kompromisse: Genau das findet Erna nicht gerecht. Als in der Schule schließlich wegen einer demolierten Toilette alle bestraft werden wird ihr bewusst, dass alle Beteiligten ihre eigene Wahrheit produzieren: Lehrerinnen und Lehrer – die selbstverständlich alle geduzt werden – wie Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern sowieso. Das nervt Erna, Anke Stellings Kinderbuchheldin. Und sie mischt sich überall ein – sehr zum Ärger der anderen, die lieber ihre Ruhe haben wollen.
Aber sie ist auch verunsichert – und das nicht nur, weil sie nicht wie ein Model aussieht. Das etymologische Wörterbuch von Annette und Christoph, wie sie ihre Eltern nennt, hilft ihr dabei erst mal nicht viel. Im Gegenteil: Es macht die Mehrdeutigkeit der Begriffe, mit denen Erna es zu tun hat, nur allzu deutlich. Was also ist richtig? Was ist falsch? Dennoch blättert sie immer wieder darin, weil sie allem, was an sie herangetragen wird, auf den Grund gehen will.
Der lakonische Ton der Ich-Erzählerin entspricht kongenial diesem ungeschminkten inneren Monolog, einem Kampf mit den Ansprüchen an sich selbst und denen der Umwelt und ihren Widersprüchlichkeiten, den Diskriminierungen und Binsenweisheiten, wie er so kurz vor der Pubertät ehrlicher nicht sein kann. Ein anstrengendes Kind, diese Erna. Aber eines, das zu einer selbstbewussten, emanzipierten Frau heranwächst, die auch verantwortlich handeln kann und sich selbst treu bleibt. Gerade weil es nicht nur eine Wahrheit gibt. Kann gut sein, dass nach der Lektüre von Stellings Romandebüt noch mehr kleine Mädchen Erna genannt werden. Warum sie schließlich Ungarisch lernt? Wird nicht verraten!