Mexiko
Drogenboss El Chapo flüchtet wieder aus Knast
Unscheinbar, reich, gewitzt – Mexikos mächtigstem Drogenboss gelingt zum zweiten Mal der Ausbruch. Dieses Mal emtkam Joaquin "El Chapo" Guzmán durch einen Tunnel.
Mo, 13. Jul 2015, 0:00 Uhr
Panorama
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen
Zuletzt wurde Guzmán von Überwachungskameras gefilmt, als er das Duschabteil seiner Zelle betrat. Die Gefängnisleitung schlug nach Angaben der Kommission Alarm, nachdem der Drogenboss eine Weile "nicht zu sehen gewesen" sei und seine Zelle leer vorgefunden wurde.
Wie Monte Alejandro Rubido von Sicherheitskommission am Sonntag bei einer Pressekonferenz berichtete, entkam der Drogenbaron durch ein Loch im Duschabteil der Zelle. Durch dieses sei er in einen Tunnel gelangt, der auf einer 1,5 Kilometer entfernten Baustelle endete. 18 Gefängniswärter sollten wegen des Ausbruchs verhört werden, sagte Rubido.
Die Regierung löste Alarm aus, der Verkehr auf den Straßen der Region wurde den Angaben zufolge genauestens kontrolliert, Flüge vom Flughafen Toluca wurden ausgesetzt. Damit foppte Guzmán zum zweiten Mal die Behörden. 2001 floh er nach sieben Jahren Haft versteckt in der Schmutzwäsche aus einem anderen Hochsicherheitsgefängnis – das Gefängnispersonal hatte von ihm ein monatliches "Taschengeld" von bis zu umgerechnet 15 000 Euro erhalten.
Es gibt unzählige Legenden über den mexikanischen Paten. Zur Hochzeit mit seiner dritten Frau, einer Schönheitskönigin, kamen 2007 einem Bericht des Nachrichtenmagazins Proceso zufolge Politiker, Staatsanwälte und Polizeichefs per Hubschrauber und Geländewagen, denn die Feier fand in einer unzugänglichen Bergregion statt.
Der Bräutigam sei nur zur Hauptzeremonie erschienen, habe mit einigen Autoritäten angestoßen und sei als Erster wieder abgeflogen. Misstrauisch, wie er war, blieb er nie lange am selben Ort. "Viele jagen ihn, aber noch mehr beschützen ihn", heißt es in einer Narco-Ballade der Gruppe "Tucanes de Tijuana". Da war die Gestalt fast enttäuschend, die 2014 den Medien nach der Festnahme vorgeführt wurde: Bauchansatz, 1,55 Meter klein, Schnurrbart und Jeans. Unterschätzt zu werden war lange die Geheimwaffe des 56-jährigen Chefs des Sinaloa-Kartells. Er hat die zweitklassige Verbrecherbande zu einer der mächtigsten Mafiaorganisationen der Welt ausgebaut, deren Tentakel bis nach Venezuela, Afrika, Spanien, China und Indien reichen.
Geboren wurde Guzmán als Sohn armer Bauern in Las Tunas, einem Nest in den Bergen des nordmexikanischen Bundesstaates Sinaloa. Eine Region, so unwirtlich, arm und vergessen, dass die Kartelle leichtes Spiel hatten. Jeder dort profitierte vom Drogengeschäft, das in den 50er und 60er Jahren seine Blüte erlebte – bis US-Präsident Richard Nixon den Drogenkrieg erklärte. Von da an nahmen die Razzien zu, und das Militär wurde zum Feind der Bevölkerung, die Kartelle zu ihrem Wohltäter und Beschützer. In diesem Ambiente wuchs Guzmán auf. Er war acht Jahre alt, als er erlebte, wie ein Militärkommando in das 250-Seelen-Dorf einfiel, Kinder und Frauen misshandelte und Geld stahl.
Seine kriminelle Karriere begann Guzmán als Gehilfe des Chefs des Guadalajara-Kartells, Miguel Angel Gallardo. Sein Auftrag war die Logistik. Er erwies sich als derart geschickt darin, die Behörden zu schmieren, dass er rasch aufstieg. Nachdem Gallardo 1989 festgenommen wurde, übernahm Guzmán die Kontrolle über die Geschäfte in Sinaloa. Mit Waffengewalt sicherte er sich die Kontrolle über die Grenzstadt Tijuana, wo er Tunnel graben ließ, um die Drogenlieferungen in die USA zu schmuggeln. 1993 entkam er einem Mordanschlag des verfeindeten Tijuana-Kartells. Guzmán floh vor dem Medienrummel nach Guatemala, wurde dort aber denunziert und wenige Wochen später gefasst und nach Mexiko ausgeliefert.
Sein eigentlicher Aufstieg zu einem der mächtigsten Drogenbosse und reichsten Männer der Welt – Forbes beziffert sein Vermögen auf 1,1 Milliarden US-Dollar – begann nach seiner Flucht im Wäschewagen. Skrupellos baute er sein Imperium aus und schickte seine Killer los, um Schlüsselpositionen zu erobern – so wie Ciudad Juárez, wo er zwischen 2008 und 2010 das Juárez-Kartell bekriegte und besiegte. Im Gegensatz zu anderen Kartellen wie den Zetas oder den Tempelrittern ließ Guzmán nicht zu, dass seine Statthalter Schutzgelder erpressten oder sich mit Entführungen quer finanzierten.
Wo er herrschte, war Ruhe, der Bevölkerung spendierte er Dorffeste, und die Behörden waren gut geschmiert. Bis in den Präsidentenpalast reichten seine Kontakte – weshalb die Presse eine Zeitlang vermutete, die Regierung stecke mit dem Sinaloa-Kartell unter einer Decke, weil sie vor allem die gegnerischen Kartelle bekämpfe. Sieben Geliebte und gut ein Dutzend Kinder soll er haben. "Luxus, Feste, Frauen, Diabetes und ein Herzfehler", sind laut Agenten seine Schwachpunkte. 2012 stellten sie ihm eine Falle mit einem Callgirl. Doch Guzmán erschien nicht zum Rendezvous. Über welches Imperium er herrschte, lässt die Liste der bei der Jagd auf ihn sichergestellten Besitztümer erahnen: 43 Fahrzeuge, 19 davon gepanzert, Dutzende von Schnellfeuerwaffen und Granatwerfer, 16 Häuser und vier Gehöfte.
Kommentare
Liebe Leserinnen und Leser,
leider können Artikel, die älter als sechs Monate sind, nicht mehr kommentiert werden.
Die Kommentarfunktion dieses Artikels ist geschlossen.
Viele Grüße von Ihrer BZ