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"Dieses Gold habe ich im Kopf gewonnen"

In Christopher Grotheer wird zum ersten Mal ein deutscher Skeleton-Pilot Olympiasieger / Teamkollege Axel Jungk holt sich die Silbermedaille.  

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Flach wie eine Flunder liegt Christopher Grotheer auf seinem Rennschlitten, rast zu Tal und wird der erste deutsche Olympiasieger im Skeleton. Foto: Michael Kappeler (dpa)

Nach seiner Fahrt in die Geschichtsbücher hatte Christopher Grotheer seine Gefühle unter Kontrolle wie zuvor seinen Schlitten im Eiskanal von Yanqing. Ergriffen sang Deutschlands erster Skeleton-Olympiasieger die Hymne mit, kämpfte nach der Fortsetzung der deutschen Gold-Festspiele erfolgreich gegen Freudentränen. Einen Tag nach Ende der Rodel-Wettbewerbe mit insgesamt vier Goldmedaillen raste der Weltmeister vor seinem Teamkollegen Axel Jungk zum größten Erfolg seiner Karriere. Bronze gewann der Chinese Yan Wengang.

"Ich habe jahrelang davon geträumt. Das ist alles noch so irreal, aber ich bin stolz auf mich. Dieses Gold habe ich im Kopf gewonnen", sagte der 29-jährige Grotheer in ruhigem Ton und versprach: "Nach zwei Bier bin ich auch ein bisschen lockerer."

Olympia-Gold ist für den Thüringer mit konstantem Ruhepuls der absolute sportliche Jackpot. Und die 20 000 Euro Siegprämie, die er von der Deutschen Sporthilfe erhält, kann er gleich auf zwei Großprojekte aufteilen: Für das neue Haus in der Nähe von Oberhof und für die Hochzeit mit seiner schwangeren Freundin Mary Ann im Mai, die zu Hause ganz ergriffen war und am ARD-Mikro sagte: "Ich bin so stolz auf das, was er geleistet hat. Nicht viele haben an ihn geglaubt."

Speed-Freak Grotheer – privat fährt er eine 200 PS starke Kawasaki – war in der Bahn nördlich von Peking unantastbar. "Die ersten drei Läufe waren der Wahnsinn, im vierten Lauf ging er auf Nummer sicher", sagte Cheftrainer Christian Baude in der ARD. Am Ende lag Grotheer 0,66 Sekunden vor Jungk. Jahrelang galten Baudes Athleten bei Olympia als die Abgehängten, die nicht ablieferten. In Yanqing war alles anders. "Alle waren mega heiß. Wir hatten supergeile vergangene zwei Jahre und wollten zeigen, dass wir auch bei Olympia Medaillen gewinnen können", sagte Grotheer. Das Edelmetall hatte Grotheer am Freitagabend chinesischer Zeit bereits um den Hals hängen. Und das nur zwei Jahre, nachdem er sich nicht einmal für das deutsche Weltcup-Team qualifiziert hatte. Geradlinig war die Karriere des Routiniers aber ohnehin nicht. Mit 15 Jahren wollte Grotheer noch Skispringer werden. Weil er dafür allerdings zu schwer wurde, wechselte er in den Eiskanal, wo er seit 2012 im Weltcup unterwegs ist.

Bei seiner Olympia-Premiere vor vier Jahren im südkoreanischen Pyeongchang war Grotheer noch Achter geworden. Für das Projekt Gold ging der erfahrene Pilot ganz eigene Wege, stellte sogar den Olympia-Schlitten in die Ecke. Mit seinem alten Schlitten lief es für Grotheer deutlich besser. Mit mehr als 130 Stundenkilometern hatte Grotheer auf dem alten Modell schon am ersten Tag die Spitzengeschwindigkeit im Feld gesetzt und in exakt 1:00,00 Minuten einen Bahnrekord aufgestellt.

Ähnlich hoch wie der Triumph des Polizeibeamten ist die Silbermedaille von Jungk einzuschätzen. Der 30-Jährige vom BSC Oberbärenburg hatte sich nach dem Weltcupfinale im schweizerischen St. Moritz mit dem Coronavirus infiziert, zitterte lange um die Olympia-Teilnahme und konnte sich nicht wie geplant vorbereiten. Auch bei der Einreise nach China lief aufgrund seiner Erkrankung nicht alles reibungslos. "Es hat sich alles ausgezahlt, die ganzen körperlichen Probleme. Das war es wert. Es ist einfach ein unglaublich schönes Gefühl", sagte Axel Jungk. Schon an diesem Samstag könnte es bei den Skeletonpilotinnen die nächste deutsche Medaille geben – möglicherweise wieder eine goldene. Nach zwei von vier Läufen liegt das Trio Hannah Neise, Tina Hermann und Jacqueline Lölling auf den Plätzen zwei, drei und fünf. Olympia-Debütantin Neise aus Winterberg hat als Zweite 0,21 Sekunden Rückstand auf die führende Australierin Jaclyn Narracott. Weltmeisterin Tina Hermann vom WSV Königssee fuhr am Freitag auf Rang drei und liegt nur zwei Hundertstelsekunden hinter Neise.

Die Entscheidung im Medaillenkampf fällt im vierten Lauf an diesem Samstag in Yanqing um 14.55 Uhr deutscher Zeit. Der dritte Durchgang wird um 13.20 Uhr gestartet.

Ressort: Olympische Spiele

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 12. Februar 2022: PDF-Version herunterladen

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