Die Wut gegen den Staat kocht weiter

Immer noch demonstrieren Menschen gegen die Corona-Politik.  

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Demo in Freiburg am vergangenen Samstag   | Foto: Michael Saurer
Demo in Freiburg am vergangenen Samstag Foto: Michael Saurer
Malte Wendt ist ein ruhiger Mensch, aber der Ärger muss raus. "Vor zwei Wochen", holt der Organisator der samstäglichen Querdenker-Demos in der Freiburger Innenstadt aus, habe ihn der Reporter der Badischen Zeitung angeschrieben und gefragt, wogegen sie denn noch demonstrieren würden, jetzt, da fast alle Corona-Maßnahmen aufgehoben wurden. "Da hat’s mich fast vom Stuhl gehauen", ruft Wendt in die applaudierende Menge.

Etwas über 500 Menschen haben sich am Samstag auf dem Platz der alten Synagoge eingefunden, in wenigen Minuten beginnt der Marsch durch die Innenstadt. Eine bunte Mischung: Jugendliche, Menschen mittleren Alters, Senioren, viele Menschen, die man einer links-alternativen Szene zuordnen würde. Einige tragen Luftballons in Herzchenform, eine Frau mit roten Dreadlocks, die sie mit einem gelben Tuch zusammengebunden hat, tanzt zu den Trommelschlägen einiger Mitdemonstranten, andere umarmen sich, Küsschen links, Küsschen rechts.

Wut verbindet. Und die Wut ist immer noch da, gleichwohl die Maßnahmen, wegen der die Querdenker auf die Straße gegangen sind, fast alle aufgehoben wurden. Doch Malte Wendt möchte das so nicht gelten lassen. "Ich raufe mir immer noch die Haare", sagt er in seiner Ansprache. Viele Menschen würden noch Maske tragen, obwohl sie das nicht mehr müssten. Was die meisten Menschen als berechtigte Sorge vor den immer noch hohen Inzidenzzahlen werten würden, sieht Wendt als Zeichen einer tiefsitzenden Angst und Verunsicherung in der Gesellschaft. "Diese Menschen sind gequält worden", sagt er. "Ich frage mich: Was ist hier eigentlich geschehen?" Die Wirtschaft sei "grundlegend ruiniert", "Zivilisationsschranken" eingerissen worden. "Ich stehe so lange auf der Straße, bis die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurden", betont Wendt, spricht von einem Lügengebäude, das die Politik erschaffen hätte, um Maßnahmen durchsetzen zu können.

Auch Volker Kantwerg sieht das so, ebenfalls regelmäßig auf den Kundgebungen. "Es ist eigentlich nichts aufgehoben worden, allenfalls aufgeschoben", meint er gegenüber der BZ. Bereits im Herbst, wenn die Inzidenzzahlen wieder stiegen, würde alles wieder eingeführt, ist sich der drahtige Grauhaarige sicher. Immer noch würden die Politiker Panik verbreiten. Und überhaupt: Am großen Masterplan habe sich nichts geändert. Der Great Reset, wie man diesen in der Szene nennt, würde immer noch durchgezogen. "Es wird in einem Überwachungsstaat enden", ist sich Kantwerg sicher. Auch Chemtrails, genveränderte Moskitos, die Impfungen durchführen, die Macht der Weltgesundheitsorganisation, die in einer kommenden Pandemie weltweit über Maßnahmen entscheiden könnte (siehe Text unten) treiben ihn um.

Die Menge setzt sich in Bewegung. Auf gelben Plakaten kann man sehen, was sie antreibt. "Digitale Covid-Zertifikate abschaffen", steht da etwa. Oder: "Die Impfung ist ein Gen-Experiment." Slogans, die so auch hätten stehen können, als die Maßnahmen noch weitgehend in Kraft waren. Am Ende des Rundgangs trifft man sich wieder auf dem Platz. Ein Besucher aus dem Elsass hält eine Rede. "Alles wird eines Tages herauskommen", sagt er. "Wir werden erst aufhören, wenn die Wahrheit gesiegt hat."

Malte Wendt ist zufrieden. Dass er nicht mehr, wie noch vor wenigen Monaten, 5000 oder 6000 Menschen auf die Straße bringen kann, sei verständlich, sagt er im Anschluss im persönlichen Gespräch. "Derzeit ist etwas die Puste raus." Aber er und seine Mitstreiter würden so lange weiterdemonstrieren, bis die seiner Ansicht nach Verantwortlichen bestraft werden. "Die Hauptübeltäter Merkel, Steinmeier, Söder, sämtliche Bundes- und Landesminister und alle Ministerpräsidenten gehören vor ein Sondertribunal gestellt und werden hoffentlich für den Rest ihres Lebens hinter Gitter gesperrt." Die Maßnahmen hätten nie eine Sachgrundlage gehabt und hätten "entsetzliche Schäden" angerichtet. Er spricht von einem "Jahrhundert-Verbrechen".

Auch wenn die Teilnehmerzahlen zurückgingen, seien weitere Aktionen geplant. Etwas verändert, zurück zu den Wurzeln. Infostände etwa. "Es wurde von Seiten der Politik ja alles gemacht, um uns zu motivieren", sagt Malte Wendt. Bereits am morgigen Samstag sei etwa eine Fahrraddemo durch Freiburg geplant.

In anderen Städten Südbadens sind die Proteste fast aus dem Stadtbild verschwunden. In Lörrach findet samstags noch eine Mahnwache und montags eine kleine Demonstration mit rund 30 Teilnehmern statt. Selbst in Schopfheim, einem der Zentren der Bewegung, kommen zu den montäglichen Kundgebungen nur noch um die 70 Teilnehmer, in Lahr waren es am Samstag laut Polizeiangaben um die 60, in Offenburg rund 120.

Doch Nadine Frei glaubt, dass die Bewegung nicht einfach verschwinden wird. Die Soziologin der Uni Basel hat eine der grundlegenden Studien zur Bewegung durchgeführt. "Ich glaube, der Blick geht etwas weg von der Pandemie, hin zu weiteren Themen." Der Klimawandel und mit ihm verbundene Einschränkungen könnte ein solches Thema sein. Viele der Anhänger, insbesondere in Westdeutschland, hätten ein sehr libertäres Verständnis und könnten nicht gut mit staatlichen Vorkehrungen leben. Diese Menschen würden sich weiter in alternativen Medien informieren und damit in ihrer Blase bleiben. "Die Proteste könnten auch schnell reaktiviert werden", glaubt Frei. Etwa wenn im Herbst wieder Einschränkungen drohen würden.
Schlagworte: Malte Wendt, Nadine Frei, Volker Kantwerg
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