Hamsterkäufe
Die Erfolgsgeschichte des Klopapiers
Das muss man erst mal hinkriegen: vom 0815-Produkt zum begehrtesten Artikel in wenigen Tage. Da staunt sogar der Hersteller. Aber warum nutzen wir überhaupt das Faserpapier für den Allerwertesten?
Di, 24. Mär 2020, 11:19 Uhr
Panorama
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Wie luxuriös es ist, sich mit weichen Blättern aus Holzfasern den Allerwertesten putzen zu können, zeigt ein kurzer Blick in die Geschichte. Der Mensch ist im Laufe seiner Evolution auf allerlei Ideen für diesen zwangsläufig notwendigen Reinigungsprozess verfallen: Moos, Pflanzenblätter, Stroh, Wollbällchen oder Stoffreste mussten dafür schon herhalten, und ja, ab und an auch lebendes Federvieh. Die Kombination aus linker Hand und Wasser, heute noch in weiten Teilen der Welt verbreitet, war auch in hiesigen Gefilden eine gebräuchliche Variante, bis das Papier aufkam. Zeitungsseiten wurden nach dem Lesen so einer überaus nützlichen Zweitverwertung zugeführt.
Dann wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Wasserklosett populär – und die Abwasserleitungen nahmen Zeitungspapier extrem übel. Das war die Geburtsstunde des Toilettenpapiers, wie wir es heute kennen. Bereits frühe Varianten kamen als Rolle und mit Perforationen, die das Abreißen erleichtern, einige waren mit hautpflegendem Aloe-Extrakt getränkt.
Der Komfortgedanke hat sich bis heute gehalten: "In unserem Kulturkreis ist die Weichheit des Toilettenpapiers besonders wichtig", sagt Volker Jung, Geschäftsführender Gesellschafter der Hakle GmbH. Aber: Wir Deutschen mögen es lieber etwas härter als die Toilettennutzer in unseren Nachbarländern. Ein anerkanntes Messverfahren für Weichheit gibt es übrigens bislang nicht, daher behilft sich die Forschungsabteilung bei Hakle mit einem Blindverfühlen: Die Tester bekommen verschiedene Toilettenpapiere in die Hand und geben an, welches sich subjektiv für sie am besten anfühlt. "Weil das jeder anders empfindet, können wir mit unseren Produkten auch nur ungefähr eine Weichheit erreichen, die möglichst viele als angenehm empfinden", sagt Jung, "das eine Toilettenpapier, mit dem jeder sich wohl fühlt, gibt es daher nicht – aber ich hoffe, wir sind nah dran."
Während die Reißfestigkeit bei einem Küchenpapier essentiell ist, spielt dieser Aspekt beim Toilettenpapier keine so große Rolle. Für ein sauberes Ergebnis ist hingegen die sogenannte Durchstoßfestigkeit entscheidend. "Mit einer Lage ist das eine ziemliche Herausforderung", sagt Jung. Zweilagiges Toilettenpapier habe er 2007 zum letzten Mal verkauft, heute findet man solche Exoten allenfalls noch auf den stillen Örtchen bei Behörden oder in der Bundesbahn.
Der deutsche Verbraucher verwendet am liebsten dreilagiges Toilettenpapier, Menschen, die besonders sanfte Hygiene bevorzugen, greifen durchaus auch zur vier- oder gar fünflagigen Variante. Nötig ist das für eine sichere Verwendung nicht: "Bei den klassischen drei Lagen brauchen Sie sich keine Sorgen machen", versichert Jung.
Und das, sagt der Freiburger Mediziner Bernd Strittmatter, ist die gesündeste Option. "Mit der Hand oder einem Waschlappen und Wasser erreicht man eine Reinigungsleistung von nahezu 100 Prozent, gleichzeitig ist diese Variante für die Haut am schonendsten", sagt der Proktologe, der in Freiburg gemeinsam mit anderen Enddarmspezialisten die Praxis "Die Koloproktologen" betreibt.
Der Haken am trockenen Papier: Man wischt sich das Zeug nur in die Hautfalten rein. Das ist keine schöne Vorstellung und auch ästhetisch fragwürdig, aber dennoch kein Hygieneproblem. Denn die Bakterien, die sich im Stuhl tummeln, entstammen dem körpereigenen Mikrobiom und fügen uns so in der Regel keine Infektionen zu. "Allerdings sollten rund um den After keine Verletzungen sein, in die Bakterien eindringen können", sagt Strittmatter.
Auf der gesunden Haut können Bakterien keinen Schaden anrichten, diese natürliche Schutzbarriere ist für sie undurchdringbar. Wer sich nicht mit der Wasserreinigung anfreunden kann, sollte darauf achten, weiches und vor allem reizfreies Toilettenpapier zu verwenden. Heißt: kein farbiges oder bedrucktes oder gar mit Duft- oder Konservierungsstoffen versehenes. Aus dem gleichen Grund sollte Strittmatter zufolge feuchtes Toilettenpapier tabu sein: "Wer unbedingt für unterwegs welches braucht, sollte auf Babyfeuchttücher zurückgreifen, die sind frei von schädlichen Stoffen. Ansonsten gilt: Trockenes Papier und Wasser funktionieren genauso gut."