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Der Zeit voraus

Der Freiburger Nicolas Sturm stellt sein neues Album "Angst Angst Overkill" im Slow Club vor.  

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Nicolas Sturm  | Foto: Max Zerrahn
Nicolas Sturm Foto: Max Zerrahn
Montagvormittag im Freiburger Jos Fritz Café. An einem der Tische sitzt ein Prophet wider Willen. Nicolas Sturm, 33, Musiker, lebt schon lange genug in der Stadt, um als Freiburger bezeichnet werden zu können, auch wenn er woanders geboren worden ist. Ende der Woche erscheint sein neues Album "Angst Angst Overkill". Ein Titel, der zur Gemütslage vieler Menschen im Herbst 2016 passt. Nur: Als die Lieder für die Platte geschrieben und aufgenommen wurden, wusste noch niemand von Paris, Brüssel und Nizza, von Würzburg und München, von der Flüchtlingsdebatte und der Renaissance national-patriotisch verbrämter Ressentiments auf breitester Front.

Im Slow Club im Stadtteil Stühlinger hat Sturm die zehn Lieder eingespielt. Ende 2014 und Anfang 2015, je eine Woche Zwölf-Stunden-Schichten. Das war einige Zeit nach ihrer Entstehung, "Im Land der Frühaufsteher" zum Beispiel ist zwei Jahre alt. Benannt ist der Song nach einem Slogan, der Autofahrer bei der Einreise nach Sachsen-Anhalt begrüßte, inspiriert vom beklemmenden Gefühl, das Sturm beschlich, als "Pediga anfing, durch die Straßen zu ziehen". Ostdeutschen-Bashing ist "Im Land der Frühaufsteher" trotzdem nicht. Die Willkommensformel war Teil einer Kampagne, mit der Sachsen-Anhalt Facharbeiter locken wollte, die sind Synonym für Qualität Made in Germany. Noch so ein Slogan, aber einer, der zu Zeiten der DDR im Westen geprägt wurde und den Sachsen-Anhalt mit den Werbetafeln entlang der Autobahnen für das ganze, das wiedervereinte Deutschland reklamierte. Sturm assoziiert mit dem "Land der Ingenieure" Waffenschmieden und Wachstumsgläubigkeit. Er singt von Anstand, Recht und Sitte in der "schwarz-rot-goldenen Mitte" – "und das seit über 70 Jahren", von verbalen Brandstiftern ("Jeder Richter, niemals Henker") und dem Lügenpresse-Mantra.

Dass Sturm mit dem Stimmungsbild 2014 der Zeit voraus war, hat nichts mit seherischen Fähigkeiten zu tun, sondern mit einem Karriereknick. 2012 gewann der gebürtige Stuttgarter den Panik-Preis, mit dem die Stiftung des Deutschrockers Udo Lindenberg Talente fördert. Im selben Jahr erschien sein Debüt, 2013 eine EP, dann ließ ihn seine Plattenfirma fallen. Es folgte eine Zeit der Ungewissheit. Mittlerweile steht Sturm geschäftlich besser da denn je. Stefan Redelsteiner, Manager der überaus erfolgreichen Wiener Popband Wanda, vertritt ihn. Der Berliner Dirq Niemann, im deutschen Indierock seit 20 Jahren eine Größe, ist sein Konzertagent, das angesehene Label Staatsakt die neue Plattenfirma. Die Musik auf "Angst Angst Overkill" rechtfertigt deren Vertrauensvorschuss. Vorbei sind die Zeiten des eher kargen Singer/Songwritertums und freier, assoziativer Verse. "Die Frage war: Wie fasse ich die direkteren Texte musikalisch?" Mit einem erdigen Sound? Das wäre mehr vom Gleichen gewesen. Am Ende entschied sich Sturm für den britischen Indie-Pop der 80er. Als weicheren Kontrast zu den klaren Worten. Und weil er Parallelen zwischen dem Lebensgefühl der Gegenwart und dem der 80er sieht, als Zukunftsängste und Hedonismus Hand in Hand gingen. Die musikalischen Vorbilder sind nicht zu überhören. Allen voran die Smiths, dazu The Cure und viele Bands, die von Velvet Underground gelernt haben, scheinen durch. Aber an guten Vorbildern ist nichts auszusetzen, solange das Ergebnis so rund klingt wie "Angst, Angst, Overkill".

Nicolas Sturm: Angst Angst Overkill (Staatsakt), ab 21. Oktober. Konzert: Freiburg, Slow Club, Donnerstag, 20. Oktober, 20 Uhr.

Ressort: Rock & Pop

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