Langzeitmission
Der Schwabe Gerst fliegt auf 26 Millionen Pferden ins All
Nach sechs Jahren ist demnächst mal wieder ein Deutscher auf der internationalen Raumstation ISS – und das gleich für eine Langzeitmission: Der Schwabe Alexander Gerst hebt ab.
Mi, 28. Mai 2014, 0:00 Uhr
Panorama
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Alexander Gerst hat vermutlich selbst nicht daran geglaubt, als er sich vor sechs Jahren auf der Webseite der Raumfahrtagentur ESA als Astronaut beworben hat – "versuchsweise", wie er betont. Doch dann konnte er sich gegen mehr als 8400 Konkurrenten aus ganz Europa durchsetzen. Am Mittwoch nun ist der große Tag des 38 Jahre alte Geophysikers aus dem schwäbischen Künzelsau, der sich bisher vor allem mit Vulkanen beschäftigt hat. Er fliegt ins All.
Bereits sechs Stunden nach dem Start soll ihre Raumkapsel andocken. Gerst, Surajew und Wiseman ergänzen die dreiköpfige Stammbesatzung. Eine Woche haben die Neuankömmlinge Schonfrist, um sich an das Leben in der Schwerelosigkeit zu gewöhnen. Der Flug durch die Gänge und Module der Station lässt sich nun mal nicht auf der Erde üben.
Nach sechs Jahren Pause ist erstmals (nach Thomas Reiter und Hans Schlegel) wieder ein Deutscher auf der Raumstation – und zwar gleich in einer Langzeitmission. Sechs Monate werden Gerst und seine zwei Kollegen auf der Station leben und arbeiten, am 10. November steigen sie in eine Sojuskapsel und kehren zur Erde zurück.
Hinter dem Schwaben liegt eine anstrengende Ausbildung im Flugsimulator, bei der alle denkbaren Eventualitäten geübt werden, so dass die Astronauten ihre Handgriffe wie im Schlaf beherrschen. Gerst hat sich 40 Sekunden am Stück in der weltgrößten Zentrifuge malträtieren lassen, die angehende Raumfahrer mit dem Achtfachen ihres Gewichts in den Sitz drückt – ein Vorgeschmack auf die Beschleunigungskräfte beim Flug. Er hat ein mehrtägiges Überlebenstraining bei minus 20 Grad überstanden und einen dreimonatigen Crashkurs in Russisch, der Bordsprache auf der ISS – laut Gerst seine härteste Prüfung.
Die Missionsmanager haben Gersts Flug "The Blue Dot" getauft, der blaue Punkt. Der Name spielt auf ein berühmtes Foto an, das die Raumsonde Voyager 1 vor mehr als 20 Jahren vom Rand des Sonnensystems von der Erde aufgenommen hat. Unser Planet erscheint darauf als blasser blauer Punkt, der sich vom tiefen Schwarz des Alls als Oase des Lebens abhebt, ebenso verletzlich wie schützenswert – ein Aspekt seiner Mission, den Gerst in Interviews immer wieder betont hat und den auch das Missionslogo (die Erdkugel, geborgen von zwei Händen) unterstreicht.
Der persönliche Höhepunkt von Gersts Mission wird sicher ein mehrstündiger "Weltraumspaziergang" sein. Zum Alltag des deutschen Wissenschaftsastronauten gehört – neben den Betriebsarbeiten an der Station, die mehr als die Hälfte der Einsatzzeit verschlingen – auch die Betreuung von rund 100 Experimenten aus den Bereichen Biologie und Raumfahrtmedizin. Da Gerst ein halbes Jahr ununterbrochen der Schwerelosigkeit ausgesetzt ist, kann er deren physiologische Auswirkungen – Knochenabbau, Schwächung des Immunsystems – am eigenen Leib studieren. Gerst ist auch in der Materialforschung aktiv. Unter anderem installiert und testet er einen Hightech-Schmelzofen für neue Legierungen, die bei der Produktion von Turbinenschaufeln verwendet werden könnten.
Alle Versuche sind im Bordstundenplan auf die Minute genau geregelt, wie auch der gesamte Tagesablauf der Besatzung exakt festgeschrieben ist: Arbeit, Freizeit, Sport, Schlafen und Essen, alles hat seine Zeit.
Apropos Essen: Aus den ansonsten eher freudlosen Speisungen sticht ein Highlight hervor. Jeder Astronaut darf sich ein besonderes Gericht wünschen, und dank dem Schwaben Gerst feiert nun die schwäbische Küche ihre Premiere im All: Sein Sternenmenü hat ein unbemannter Transporter bereits im April auf die Station geliefert. Es gibt Käsespätzle, Saitenwurst und Grießflammerie.
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