Melodram
Der Nachkriegsfilm "Niemandsland" hinterlässt eine glanzvolle Leere
James Kents "Niemandsland" sieht sich in den Traditionen großer Dramen wie "Krieg und Frieden" und versucht sich an einer Dreiecksliebesgeschichte im Nachkriegsdeutschland.
Fr, 12. Apr 2019, 13:04 Uhr
Kino
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Als der Offizier sieht, wie Lubert und seine 15-jährige Tochter Freda (Flora Thiemann) ihr Heim räumen, lädt er sie ein, zu bleiben und Quartier auf dem Dachboden zu beziehen. Die Kollegen im Offiziers-Casino rümpfen die Nase angesichts solcher Großzügigkeiten gegenüber dem besiegten Feindesvolk, aber Lewis glaubt an die Möglichkeit von Versöhnung und Neuanfang. Weniger begeistert scheint Rachael von den deutschen Untermietern. Im Haus besteht sie auf klare Grenzziehungen und zeigt sich gegenüber der bescheidenen Höflichkeit des alleinerziehenden Witwers äußerst reserviert.
Aber natürlich ist dem Publikum angesichts der bedeutsam konstruierten Blickwechsel schnell klar, dass sich die beiden zueinander hingezogen fühlen und ein ungeheuer gut aussehendes Liebespaar abgeben werden. Schon bald stellt sich heraus, dass Rachael ihr Kind durch deutsche und Stefan seine Frau durch alliierte Bomben verloren hat. Wenn sich dann die trauernde Mutter abends an den Flügel setzt und mit Debussys "Clair de Lune" das Lieblingslied beider Verstorbenen intoniert, ist der emotionale Boden bereitet für leidenschaftliche Begierden über alle Vorurteile hinweg.
Da Lewis sich vor dem eigenen Verlustschmerz in die militärische Arbeit flüchtet und die Gattin sträflich vernachlässigt, hat diese ein paar dramatische Wendungen später auch schon die Koffer gepackt, um mit dem schmucken Häuslebauer in Berchtesgaden ein neues Leben anzufangen. Aber alles kommt anders – und trotzdem genauso, wie man es sich denkt.
Als großes Melodrama hat TV-Routinier Kent seinen zweiten Kinofilm "Niemandsland" angelegt und kommt doch nicht über eine Edel-Schmonzette hinaus. Dabei hält er viele gute Zutaten in der Hand: Keira Knightley hat es bisher geschafft, jeden Historienfilm zu veredeln. Alexander Skarsgård verfügt über alle optischen Qualitäten für die Herzensbrecherrolle und Jason Clarke besitzt die schauspielerische Durchlässigkeit, um unterdrückte Emotionen sichtbar zu machen. Wim-Wenders-Kameramann Franz Lustig ("Don’t Come Knocking") weiß mit Bildformaten klassischer Melodramen umzugehen, und Kostümbildnerin Bojana Nikitovic ("Papillon") macht jeden Auftritt Knightleys zu einem eigenen Ereignis. Hilft aber alles nichts, wenn die emotionale Hardware nicht stimmt.
Kent, der hier den Roman von Rhidian Brook verfilmt, ist trotz verlässlicher, schauspielerischer Ressourcen nicht in der Lage, die Seelennöte seiner Figuren glaubwürdig auf die Leinwand zu bringen. Mit Trauer, Trauma, Liebe, Verlust und Krieg stehen große Gefühle auf der Speisekarte, die aber unter der sperrigen, biederen Regie stets bloße Behauptung bleiben. Statt in den durchaus interessanten Konflikt zwischen kriegsbedingten Vorurteilen und amourösen Anziehungskräften einzusteigen, ergeht sich die Erzählung in der Aneinanderreihung melodramatischer Klischees und verbreitet auf der Leinwand eine große, glanzvolle Leere.
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