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Der Madendoktor

  • Sa, 27. März 2004
    Zisch

     

Der Kölner Biologe Mark Benecke ist Detektiv und international anerkannter Spezialist für Insekten auf Leichen.

Was braucht ein Detektiv? Ist doch klar: Eine Lupe, um Spuren zu finden. Einen Fotoapparat, um den Tatort zu fotografieren. Eine Pinzette, um die Fundstücke aufzuheben. Ein Maßband. Und einen großen Koffer, in den sein Handwerkszeug und die Fundstücke reinkommen.

Mark Benecke (33) ist sogar mit zwei Tatort-Koffern unterwegs. Mark Benecke ist Detektiv. Aber ein ganz besonderer: Er ist Wissenschaftsdetektiv und Kriminalbiologe. Und er sieht genau so aus, wie man sich einen Detektiv vorstellt: Immer ein wenig blass, immer in Eile, immer auf der Suche nach neuen Spuren und Beweisen.

Die Polizei ruft "Dr. Made", wie Mark Benecke oft genannt wird, immer dann zur Hilfe, wenn sie an einem Tatort etwas entdeckt, was nur ein Biologe erklären kann. Dann schnappt der Kölner seine Koffer und saust los. Am Tatort zieht er einen weißen Schutzanzug an, damit keine falschen Spuren eingeschleppt werden. Mark Benecke ist studierter Entomologe. Das heißt, er kennt sich hervorragend mit Insekten und Gliedertieren aus, die sich auf To- ten niederlassen. Dies versuchen sie auch bei Lebenden. Dann schüttelt man sich oder scheucht sie weg und sie merken, das man dies nicht mag. Doch sobald sich ein Mensch nicht mehr rührt, legen Fliegen ihre winzigen Eier in Ohren, Nase und Mund. Schwangere Schmeißfliegen können einen toten Körper über Hunderte von Metern riechen. An ihrer Größe und ihrer Art kann ein Biologe herausfinden, wie lange der Mensch oder das Tier schon tot ist und ob sie an dem Ort, wo sie gefunden wurden, auch gestorben sind. Manche Fliegen, Ameisen und Käfer kommen nur in einem bestimmten Waldstück oder nur in einer Stadt vor. Für die Aufklärung eines Verbrechens ist es ganz wichtig, möglichst genau den Zeitpunkt des Todes festzustellen. Handelt es sich um ein Verbrechen, kann ermittelt werden, ob ein Verdächtiger zu diesem Zeitpunkt überhaupt am Tatort gewesen sein kann.

Die meisten Menschen finden es ziemlich ekelig, mit Maden, Fliegen, Ameisen und Leichen zu arbeiten. Sie mögen nicht einmal ein Glas mit Maden anfassen. Mark Benecke ist anders. Er nennt die Tiere gerne "meine kleinen Assistenten". Von diesen Assistenten gibt es ziemlich viele: Insekten sind die größte Gruppe der Lebewesen auf der Welt. Austricksen lassen sich die Assistenten auch nicht. So schlau ist kein Verbrecher, dass er die Insekten beeinflussen kann. Tod und Sterben gehören zum Leben, sagt Mark Benecke. Ohne den Tod gäbe es uns heutige Menschen gar nicht. Es wäre kein Platz auf der Erde, denn alle Menschen von früher würden ja auch noch leben.

Richtig bekannt wurde Mark Benecke vor einigen Jahren, als er drei reiskorngroße Maden untersuchen musste. Damals arbeitete der Deutsche noch bei der Polizei in New York. Weil seine Arbeit wichtig war, brachte die Bundeswehr die Tiere extra in einem Flugzeug zu ihm. Mark Benecke arbeitete fünf Nächte vorm Mikroskop und nahm die Maden auseinander. "Das ist so, als ob man ein Ei mit einem Bagger köpfen wollte", erklärt er die Arbeit. Der Täter konnte so überführt werden. Aber das sind Sachen, die Mark Benecke überhaupt nicht interessieren. Bei der Jagd nach dem Täter ist er auch nicht dabei. Er hat nicht mal ein Auto. Er fährt meist mit dem Fahrrad oder der Bahn zum Tatort.

Petra Kistler

Ressort: Zisch

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