Der Handwerker des Todes
NEU IM KINO: "Spectre" ist der längste und teuerste Bond aller Zeiten – aber nicht der beste.
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Ein drastisches Statement: Pulsadern aufschlitzen ist ja nicht ganz die Ideallösung bei Problemen im Job. Aber genau so ist James Bond, wie Craig ihn verkörpert – rabiat, brutal und schnell am Schlitzen, dabei einsam, traurig, verletzlich, gebrochen. In jenem Interview scheint also fast eine Seelenverwandtschaft zwischen Rolle und Darsteller auf. Und Craig hält Ian Flemings alte Doppelnull ja auch souverän im 21. Jahrhundert, das mit einem kühlen Einzelgänger, der nicht in seine Seele blicken lässt, allemal mehr anfangen kann als mit einem virilen (Connery), smarten (Roger Moore) oder charmanten (Pierce Brosnan) Herzens- und Knochenbrecher. Aber ist die Spezies James Bond heute nicht ohnehin ein Fossil?
Womit wir mitten drin sind in der Geschichte von "Spectre", der Folge 24 in diesem längsten Franchise der Filmgeschichte: Der gute alte MI 6, das Flaggschiff der Verbrechensbekämpfung, soll abgeschafft werden, samt seinem frisch dienstverpflichteten Geheimdienstleiter M (Ralph Fiennes bewältigt die schwierige Nachfolge der wunderbaren Judi Dench glänzend). So will es jedenfalls Max Denbigh (Andrew Scott) – Codename C –, der designierte Chef eines global agierenden Center for National Security. Das neue Konzept setzt auf totale Überwachung statt totalem Körpereinsatz, da hat ein Haudegen wie Bond ausgedient.
Der schlägt sich freilich längst durch die Welt, in eigenem Auftrag übrigens. Die erste Szene zeigt ihn beim Día de los Muertos, dem Totenfest in Mexico City – das als – auch visuell – faszinierendes kulturelles Erbe der Menschheit ja im Kino bislang wahrlich kein Stiefkind war. Aber wie Kameramann Hoyte van Hoytema ("Her", "Interstellar") es inszeniert, ohne einen einzigen Schnitt, sorgt für eine fulminante Eröffnung: Danse Macabre tausender Statisten, einstürzende Prachtbauten und ein erbitterter Kampf am steuerungslos trudelnden Helikopter knapp über den Köpfen der Masse. Bond fügt dem Fest der Toten noch ein Exemplar hinzu, und bei dessen Beerdigung in Rom trifft er auf eine Organisation namens Spectre, Mafia und okkulte Loge zugleich. Die Herren tagen an einer langen Tafel, am Kopfende der Pate, das Gesicht im Schatten: Franz Oberhauser.
ist nie automatisch
einer für das Gute
Wie überhaupt "Spectre" in mancherlei Hinsicht hinter dem Vorgängerfilm zurückbleibt. Regisseur Sam Mendes ("American Beauty") war 2012 mit "Skyfall" ein großer Wurf gelungen, der von Publikum wie Kritik gleichermaßen gefeiert wurde und sensationelle 1,1 Milliarden US-Dollar einspielte. Diesmal drehte er zwischen Österreichs Alpen und Marokkos Wüste den teuersten (von 350 Millionen Dollar ist die Rede) und mit 148 Minuten längsten Bond aller Zeiten. Aber so betörend dieser Film auf der Bildebene ist, mit unzähligen Reminiszenzen an die 007-Filmgeschichte, so dialogwitzig etwa in den Scharmützeln mit Quartiermeister Q (Ben Whishaw), so schwach funkelt er insgesamt – und nicht bloß, weil die emotionale Wucht von "Skyfall" fehlt. Die Materialschlachten wirken seltsam lustlos, die Liebesszenen (mit Monica Bellucci und Léa Seydoux) fast wie eine Pflichtübung, und der Bond-Song "Writing’s On The Wall" von Sam Smith ist (zum Glück, möchte man hinzufügen) nach dem Intro bereits vergessen.
Mendes und das Drehbuchteam um Neal Purvis verknüpften die Handlung mit den ersten drei Craig-Bonds, verloren vor lauter Fisselarbeit am Plot aber den roten Faden, der "Spectre" zum bleibenden Kinoerlebnis hätte werden lassen. Bonds Konflikt als Geheimagent alter Schule mit einer computergestützten New School der totalen Kontrolle (die dann doch bloß als Teil von Oberhausers Terrornetzwerk entlarvt wird) etwa hätte man tiefer ausloten können im Zeitalter der Drohne als virtuell gesteuerter Tötungsmaschine. Zumal 007, gerade in Craigs eisiger Interpretation, ja selbst auch eine ist – nur halt als Nahkämpfer, als Handwerker.
Der Kampf gegen das Böse war noch nie automatisch einer für das Gute, aber im 21. Jahrhundert wird das deutlicher denn je. Insofern ist James Bond auch in "Spectre" kein Fossil, sondern eine sehr zeitgemäße Figur. Aber was tut er am Ende des Films? Er lässt sich – früher war alles besser! – den Aston Martin DB5 bringen, mit dem einst Connery durch "Goldfinger" und "Feuerball" düste. Dabei hatte man ihm doch extra einen brandneuen DB10 gebaut! Vielleicht ist er tatsächlich amtsmüde, der Mann mit der Lizenz zum Töten. Oder nur sein Darsteller: Man hatte in "Spectre" ja öfter mal den Eindruck, er betreibe bereits den Abgesang auf