Der Freundschaftsdoktor
FUDDER-INTERVIEW mit dem Psychologen Wolfgang Krüger über den Wert von Freundschaften und platonischer Liebe.
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Wolfgang Krüger kittet Freundschaften. Der Psychologe berät in seiner Berliner Praxis nicht nur Liebes-, sondern auch Freundschaftspaare. Im Gespräch mit Fabienne Hurst spricht er über die Möglichkeit platonischer Lieber, Tabus in Freundschaften – und darüber, warum Freunde gut fürs Immunsystem sind.
Krüger: Na ja ... Das sind ja keine echten Freundschaften.
Fudder: Was ist denn ein echter Freund?
Krüger: Eine Freundschaft ist eine starke Sympathiebeziehung, in der man über alles reden kann. Über Stärken und Schwächen. Der Philosoph Lichtenberg hat einmal gesagt: Von guten Freunden träumt man.
Fudder: Reicht es nicht, von seinem Partner zu träumen?
Krüger: Es gibt viele Studien über Partnerschaften, in denen klar wird, dass Beziehungen erheblich besser funktionieren, wenn beide parallel intensive Freundschaften haben. Man sollte so, wie man ins Fitnessstudio geht, auch Freundschaften pflegen. Telefonieren, treffen, schreiben. Dieses Band zu erhalten, ist lebenswichtig.
Fudder: In Ihrem Buch zitieren Sie sogar eine Studie, wonach Freunde gut fürs Immunsystem sind.
Krüger: Australische Forscher haben herausgefunden, dass Menschen mit guten Freunden rund 20 Jahre länger leben. Das hat viele Gründe: Der Hauptfaktor für alle seelischen Erkrankungen ist im Grunde Einsamkeit. Wir brauchen unsichtbare Bindungen mit anderen, um uns im Leben aufgehoben und sicher zu fühlen. Ich denke, man braucht neben einer Partnerschaft auch ein soziales Dorf.
Fudder: Es gibt also tatsächlich Freunde, die sich zu Ihnen auf die Couch setzen?
Krüger: Ja, das sind fast immer Freundespaare, die sich schon sehr lange kennen, über 20 Jahre, und einen Konflikt in ihrer Freundschaft haben, den sie klären wollen, weil er sie sonst entzweien würde. Meistens sind das Männer, ich glaube, Frauen sind eher in der Lage, solche Konflikte ohne fremde Hilfe zu lösen. Sie können viel besser über sich reden, sind sensibler und können mit Stärken und Schwächen umgehen.
Fudder: Welche Probleme werden denn bei Ihnen besprochen?
Krüger: Ein Hauptproblem ist, wenn Freundschaften sich verändern. Wenn einer immer derjenige war, der geredet hat, und plötzlich der andere nicht mehr nur zuhören will. Bei Frauenfreundschaften spielen Beziehungen meist eine große Rolle. Wenn beide Frauen keinen Partner haben, wird die Freundin oft zum Ersatz. Man telefoniert täglich, trifft sich oft, sodass eine große emotionale Nähe entsteht. Und plötzlich kommt ein neuer Kerl – dann ist die beste Freundin abgemeldet. Was Eifersucht angeht, sind Frauen krisengefährdeter als Männer.
Fudder: Gibt es auch Menschen, die zu Ihnen kommen, weil sie keine Freunde haben?
Krüger: Ja. Das drückt aber kaum jemand so aus. Sie kommen zu mir, weil der Hausarzt sie schickt, weil sie Kopfschmerzen oder Schlafstörungen haben. Ich frage aber immer nach den Freundschaften, und von welcher Intensität sie sind. Die Kernfrage lautet: Würden Sie mit ihren Freunden auch über Ängste, über peinliche Situationen und Schwächen reden? Viele verneinen das. Sie erzählen dann auch, dass sie gar keine Freunde haben, aber schon seit zehn Jahren in der Stadt wohnen. Dann ist natürlich die Steigerung der Freundschaftsfähigkeit Kern der Therapie. Noch häufiger ist es, dass jemand zwar Freundschaften hat, sich jedoch zurückhält. Sie würden nie einem Freund ihre Sorgen mitteilen. Sie wollen ja "nicht stören".
Fudder: Was raten Sie einem schüchternen Menschen, der Freundschaften aufbauen will?
Krüger: Freundschaftsfähigkeit beginnt immer bei einem selbst. Das heißt, ich muss über meine Affekte und Gefühle Bescheid wissen und ich brauche ein Selbstbewusstsein. Ich muss wissen, inwiefern ich für andere Menschen eine Bereicherung bin, wenn ich auf sie zugehe.
Fudder: Eine Bereicherung?
Krüger: Die meisten Leute haben gar keine Vorstellung, was für Freundschaften wichtig ist. Viele denken, sie müssten unendlich spannend sein. Das stimmt nicht. Viel wichtiger sind Sozialkompetenz, Zuverlässigkeit und Zuhörenkönnen. Man trifft jemanden, stellt ihm ein paar Fragen, ganz einfache wie "Was machst du?" oder "Was interessiert dich" – auf diese banale Weise beginnen die meisten Freundschaften. Aber schon das fällt Menschen schwer.
Fudder: Wenn ich neu in einer Stadt bin, wüsste ich auch erst mal nicht, was ich tun soll ...
Krüger: Ich rate immer, Gruppen aufzusuchen, in denen man ähnliche Interessen hat. Das können Radtouren, Chortreffen oder Kochkurse sein. Und wenn man jemanden interessant findet, lädt man ihn zum Kaffee ein. Schlau ist es auch, sich an Leute zu wenden, die bereits einen großen Freundeskreis haben. An so genannte Freundschaftsstifter muss man sich dranhängen. Das ist der Jackpot.
Fudder: Können Männer und Frauen Freunde sein?
Krüger: Ja, wenn eine von drei Voraussetzungen erfüllt ist. Erstens: Sie ist nicht sein Typ. Im Allgemeinen geht das Jagen doch eher von den Männern aus. Zweitens: Er ist erotisch abgesättigt, dann ist der Jagdtrieb erlahmt. Drittens: Wenn der Mann in der Lage ist, Nähe über Gespräche herzustellen. Das ist schon die hohe Kunst. Ich selber bin in meinem Leben immer treu gewesen, habe aber interessante Frauen kennengelernt. Ich wollte wissen, wie sie fühlten, was für sie wichtig war, was ihre Geheimnisse waren. Eine Nähe über solche Gespräche kann intimer sein, als wenn man mit jemandem ins Bett geht.
– Wolfgang Krüger: Wie man Freunde fürs Leben gewinnt. Herder Verlag, 9,95 Euro
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