Umfrage
Deutsche wollen nicht ständig erreichbar sein
Pling, pling, pling! Im Minutentakt ploppen auf Smartphones Nachrichten auf - und wollen beantwortet werden. Dabei ist es den meisten Deutschen einer Studie zufolge ein Graus, rund um die Uhr erreichbar zu sein.
Teresa Tropf & Sophia Weimer
Mi, 22. Jun 2016, 0:01 Uhr
Panorama
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Chat-App, SMS, Mail und Telefon, das Smartphone stets im Anschlag – das ist für die meisten Bundesbürger anscheinend Stress. Eine Umfrage ergab zumindest, dass es den Deutschen nicht wichtig ist, immer und überall erreichbar zu sein. Nur 16 Prozent halten die ständige Erreichbarkeit für wichtig, wie das Marktforschungsinstitut GfK am Dienstag mitteilte. Im internationalen Vergleich ist Deutschland das Land mit dem niedrigsten Wert.
Dabei legten die Deutschen die gesündere Einstellung an den Tag, meinen Experten. E-Mails, SMS und andere Handy-Kommunikation nach Feierabend stehen seit längerem in der Kritik, weil ein Zusammenhang mit Stress und psychischen Erkrankungen vermutet wird. "Die ständige Erreichbarkeit ist absolut ungesund, weil wir überhaupt keine Gelegenheit mehr haben, abzuschalten und uns gehen zu lassen", sagt Gesundheitspsychologin Julia Scharnhorst. Den Druck, ständig erreichbar zu sein und ständig sofort reagieren zu müssen, erlebt sie in ihrer täglichen Arbeit gerade bei jungen Menschen sehr stark.
"Junge haben oft viel zu viele Kontakte und setzen sich dann gegenseitig unter Druck, immer schnell zu antworten", sagt Scharnhorst. Das laufe dann unter dem Vorwurf: "Ich sehe doch, dass du online bist, warum hast du mir noch nicht geantwortet?" Teils resultierten aus dem Druck auch Streitigkeiten. "Es haben sich schon Freundschaften getrennt deswegen. Manche empfinden das als Vernachlässigung oder Beleidigung", betont die Psychologin.
Im internationalen Vergleich der Altersgruppen zeigt sich laut der GfK-Studie, dass es vor allem den Menschen zwischen 30 und 39 Jahren wichtig ist, ständig und überall erreichbar zu sein: Knapp die Hälfte stimmt hier der Aussage zu, dass dies wichtig ist – dicht gefolgt von den 20- bis 29-Jährigen (45 Prozent) und den Teenagern (43 Prozent). Einen Unterschied zwischen Männern und Frauen bei der Zustimmung gibt es der Umfrage zufolge nicht.
Insgesamt sei die Zahl der Krankheiten wegen psychischen Störungen in den vergangenen Jahren massiv gestiegen, sagt Scharnhorst. "Und das Thema ‚ständige Erreichbarkeit’ ist seit Jahren schon ein Teil davon." Noch ungesünder sei es, wenn der Druck, man solle erreichbar sein, nicht von den Freizeitkontakten, sondern von der Arbeit komme. Einige Unternehmen regeln zum Gesundheitsschutz ihrer Angestellten deshalb inzwischen sogar den Einsatz von Smartphones oder Tablets in der Freizeit.
Die Länder-Unterschiede zwischen den Internetnutzern führen Experten auf die Unterschiede in den Kulturen zurück. "Es gibt Kulturen, da sind der familiäre Zusammenhalt und die Menge an Kontakten viel größer. Da kommen schon mehrere Hundert zur Hochzeit", sagt Scharnhorst. Daraus resultierten andere Ansprüche an soziale Netze.
Die Expertin rät dazu, das Handy auch mal auszumachen: "Wir brauchen einfach Zeiten, wo wir komplett abschalten können und nicht noch mit halbem Gehirn im Arbeitsmodus sind", warnt Scharnhorst. Dominik Borde, Coach und Paartherapeut aus Wien, hält dies allerdings nicht für ohne weiteres machbar. "Das geht nur mit kaltem Entzug, denn das ständige Schauen aufs Smartphone und die Erreichbarkeit sind wie eine Sucht", sagt er.
Sein Tipp: Gut beginnen kann man beispielsweise bei einem Treffen mit dem Partner oder einem Freund. Borde empfiehlt: Das Smartphone vor den Augen des anderen herausnehmen, ausschalten und etwa sagen: "Entschuldige, ich schalte nur gerade mein Handy aus." Das signalisiert dem anderen Wertschätzung und gibt beiden Seiten ein gutes Gefühl. Daraus kann man ein kleines Ritual machen – das mit jedem Mal einfacher wird.
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