Das Nutellabrot schmeckt genau wie vorher
Wie JuZ-Mitarbeiter den Wahlabend und den Tag danach erlebten / Herbert Grönemeyer weiß: "Bleibt alles anders".
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Atemlos vor dem Fernseher, unwissend im Ausland oder bei einer Wahlparty der Grünen - JuZ-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter berichten, wie sie den Abend der Bundestagswahl erlebten und den Tag danach.
Thomas Oeftering, 21: Wahlsonntag, 19:03 Uhr. Wer hat denn nun gewonnen? Das erste, was ich im Fernsehen zu sehen bekomme ist ein strahlender Edmund Stoiber, der zum Interview gebeten wird. Das sitzt. Ich rutsche tiefer in meinen Sessel. Das darf doch nicht wahr sein! Dann sehe ich die ersten Hochrechnungen. Puh, ganz schön knapp! 19:11 Uhr. Beruhigt von den Zahlen, bleibe ich im Sessel sitzen, tief unten.
Johannes Evers, 21: In Deutschland ist der Wahlausgang schon lange bekannt, als ich unwissend aus dem Flugzeug steige. Ich bleibe einen Augenblick stehen und schaue mich um. Regen fällt aus schwarzen Wolken. Die gelbe Sonne ist nicht mehr stark. Zu den grünen Blättern haben sich schon rote gesellt. Mein Herz fängt an schneller zu schlagen, als ich die erste Schlagzeile erblicke. Erleichtert atme ich durch. Es bleibt alles beim Alten: Unser Herz schlägt links.
Karolin Burghardt, 20: 18 Uhr, die erste Hochrechnung. Gleich zu Beginn der Schock, die CDU ist stärkste Fraktion. Dann die riesige Freude: 9,4 Prozent für die Grünen. Ein Aufschrei geht durch das Waldsee, mein Jubel wird getragen von tosendem Applaus. Aber spätestens jetzt ist auch klar, es wird verdammt knapp. Einige Stunden später in einer Innenstadt-Kneipe. Es ist 0.30 Uhr, SPD und Grüne schaffen es auf 307 Sitze. SPD-Kandidat Gernot Erler hängt erschöpft mit der Nase am Bilschirm, die Mandate hängen über, ich hänge müde aber hoffnungsfroh mit den anderen am Tisch - und freue mich auf mein Bett.
Johannes Rave, 17: Das Überraschende war am Montagmorgen nicht die Fortführung der rot-grünen Koalition, sondern der kleine Vorsprung vor Union und FDP. Anscheinend waren die guten Umfrageergebnisse für die SPD doch nicht ganz richtig. Bei der alten Regierung bleibt es doch, vor allem weil CDU/CSU genauso wenig Konzepte in Bezug auf das selbsterwählte Hauptwahlkampfthema, den Arbeitsmarkt, präsentieren konnten. Keine Argumente sind schlechte Argumente.
Eva Müller, 19: Bunte Wahlen in einer Bunten Republik. Grün freut sich über das stärkste Ergebnis seit jeher, Schwarz "öffnet", laut Stoiber noch "keine Sektgläser", Rot ist stolz, wieder den Kanzler stellen zu dürfen. Und Gelb hat mit der Wahlkampange "Steck ihn rein!" eine Wahlbeteiligung von 79,1 Prozent erreicht. Ob der Wähler in Anbetracht des Beinahe-Patts auf eine gute Arbeit der Regierung hoffen darf oder eher Schwarz sehen muss, ist abzuwarten.
Veronica Naujoks, 14: Ich finde, das Wahlergebnis kann sich sehen lassen. Ich persönlich bin ziemlich erfreut darüber und hoffe, dass diesmal die Versprechungen eingehalten werden, zum Beispiel die Senkung der Arbeitslosenzahlen. Mit dem Thema ist wirklich nicht zu spaßen. Da muss man echt etwas unternehmen.
Sebastian Lehmann, 19: "Nach der Ebbe kommt die Flut", singt Herbert Grönemeyer derzeit auf jedem Radiosender. Das trifft auch auf unsere alte und neue Regierung zu. Vier Jahre Ebbe. Dann kam die Flut und alles wurde wieder gut. Verdammte scheiße, dachte ich am Montagmorgen, warum saß ich bloß die ganze Zeit atemlos vor dem Fernseher? Aber am Ende ist es egal: Hauptsache das Ergebnis stimmt. Um wieder Grönemeyer zu zitieren: "Bleibt alles anders."
Mohini Mattis, 17: Nach vier langen Wochen Wahlkampagnen und hitzigen Diskussionen mit Freunden und der Familie habe ich es endlich geschafft: Die Wahl ist vorbei! Klar, dass am Sonntag alle, die ich kenne, um spätestens Viertel vor sechs vor dem Fernseher saßen. Bei der ersten Hochrechnung wurde ich dann doch noch mal aufgeregt. Wie wird unsere Regierung jetzt aussehen? Rot-Grün fände ich natürlich klasse. Und dann: Sie haben es tatsächlich noch mal geschafft!
Martin Müller, 21: 18:04 Uhr. Ich beiße in mein Nutellabrot. Schmeckt genau wie vorher. Bleibt noch die Frage, ob FDP-Wähler wirklich Wasser ohne Kohlensäure trinken, die Anhänger der SPD Süddeutsche Zeitung lesen, Schwarz-Wähler niemals schwarz fernsehen oder ob Grüne in ihrer Freizeit Batik-Shirts einfärben. Und mir kommt die Idee für 2006: Wahlkampfwerbung auf Nutella-Gläsern. Gegen braunen Inhalt oder so.
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