"Das könnten meine Freunde sein"
Koreanische Pop-Bands bei deutschen Jugendlichen im Trend / Hinter den Kulissen geht es weniger glamourös zu als auf der Bühne.
Dirk Godder & Linda Vogt
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MANNHEIM/SEOUL. Im deutschen Jugendzimmer wird die Übersetzungssoftware bemüht, hartgesottene Fans belegen Sprachkurse, um die Texte zu verstehen: Boy- und Girlgroups aus Südkorea feiern seit Jahren auch weit über die Landesgrenzen hinaus riesige Erfolge. Mit perfekt sitzenden Choreographien tanzen sie sich in die Herzen der überwiegend jugendlichen Fans.
Über Apps findet der Austausch mit den Künstlern, aber auch der Fans untereinander statt. Je nach favorisierter Band tragen sie stolz Kosenamen: Army (übersetzt Armee) heißt der Fanclub von BTS, Monbebe (mein Baby) werden die Anhänger von Monsta X genannt – die siebenköpfige Boygroup spielte am Wochenende bei einem K-Pop-Festival in Mannheim.
Tausende, zumeist weibliche Fans sind gekommen, darunter Paulina Golovanow. Vor Jahren hatte sie YouTube-Videos aus Südkorea gesehen und war begeistert: "Die waren bunt und ganz anders als das, was aus Amerika kommt." In den Texten gehe es nicht nur um Liebe und Party, sondern auch um Probleme, etwa Depressionen oder Mobbing. Aber auch die Tanzeinlagen überzeugten die 21-Jährige.
Dahinter stecke jahrelanges Training, sagt die Chefredakteurin des deutschsprachigen Szenemagazins K*bang: "Es gibt in Südkorea vor allem drei große Labels und die investieren quasi von jungen Jahren an in ihre Künstler", sagt Isabelle Opitz. "Die bewerben sich teilweise schon mit zwölf Jahren – und noch jünger." Etwa bis zur Volljährigkeit würden sie ausgebildet: Gesangs- und Tanzstunden, Verhalten in der Öffentlichkeit und so weiter. Die Shows von Monsta X, Cosmic Girls und KARD laufen am Samstagabend in Mannheim reibungslos. Die eingängigen Refrains, egal ob auf Englisch oder Koreanisch, werden lauthals mitgesungen. Die Ansprachen nach jedem Song euphorisieren das Publikum – es geht auch darum, welches das leckerste koreanische Essen ist und warum man das Land bereisen sollte. Die Koreanische Tourismuszentrale veranstaltet das Finger Heart Festival mit, zu Beginn sprechen der Vizepräsident der Behörde und ein Generalkonsul.
"K-Pop ist Südkoreas Exportschlager", erklärt Chefredakteurin Opitz. Eine Pop-Maschine, angeheizt von der Regierung und perfekt justiert. Die jungen Musiker unterwerfen sich freiwillig, in der Regel mit kräftiger Unterstützung der Eltern, einem strengen, vertraglich geregelten Trainings-Regiment. "In dich wird investiert, du machst Schulden in der Zeit", sagt Opitz. Die Kosten müssten abgestottert werden: "Bei dubiosen Labels ist es so, dass Künstler teilweise jahrelang auftreten, ohne jemals Geld zu bekommen." 2009 hatte die Kommission für fairen Handel "standardisierte Verträge" vorgelegt, um die Konditionen zu verbessern, darunter kürzere Laufzeiten. Während der Ausbildung gebe es kaum Privatsphäre, erzählt Opitz. "Die Künstler dürfen oft keine Handys nutzen und müssen das Gewicht halten. Sie dürfen keine Beziehung führen."
Die Schattenseiten sind Fans bekannt. "Viele sagen den Stars: Ihr müsst euch mal ausruhen", sagt K-Pop-Fan Paulina Golovanow. "Aber es war auch ihr Traum." Keine der Festival-Bands stand für ein direktes Interview zur Verfügung. Monsta X schickte schriftliche Antworten: "Als wir gerade unser Debüt hatten, wollten wir Sänger sein, weil wir einfach nur Musik liebten", heißt es. "Jetzt ist das anders. Wir gehen jetzt auf die Bühne und machen unsere Musik für unsere Fans, die auf uns warten und uns ihre Liebe geben."
Die perfekte Inszenierung gelingt zwar auf der Bühne, aber nach einer Reihe von Skandalen um Sex, Drogen oder illegales Glücksspiel, bröckelt die glitzernde Fassade des K-Pop. Doch trotz aller Eskapaden ha er auch in seiner Heimat nach wie vor große Bedeutung. In der Zehn-Millionen-Metropole Seoul ist K-Pop in Cafés, Supermärkten und Boutiquen täglich zu hören.