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"Das ist wie ein Gute-Laune-Kit"

BZ-INTERVIEWmit der Volkskundlerin Simone Egger über das Oktoberfest             und die Rolle von Dirndl und Lederhosen.  

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Simone Egger Foto: bz

MÜNCHEN/FREIBURG. O’zapft is! Ab heute wird es wieder Millionen Besucher auf das Münchner Oktoberfest ziehen. Viele von ihnen kommen stilecht in Dirndl oder Lederhose. Michael Saurer sprach am Telefon mit der Volkskundlerin Simone Egger über den eigentlichen Sinn der Wiesn – und warum die Lederhose erst in den vergangenen 20 Jahren zur globalen Marke geworden ist.

BZ: Frau Egger, Sie klingen wie eine waschechte Münchnerin und gehen bestimmt demnächst auf die Wiesn…
Egger: Einspruch, ich bin nicht einmal eine Oberbayerin. Ich komme aus bayerisch Schwaben, das ist ein großer Unterschied.

BZ: Oh, dann entschuldige ich mich. Aber ich gehe doch recht in der Annahme, dass das Oktoberfest mittlerweile ein gesamt-bayerisches Ereignis ist, oder?

Egger: Ja, das ist schon richtig und das ist ja auch das ursprüngliche Ziel der Wiesn gewesen. Das Königreich Bayern ist ja erst 1806 entstanden und schon 1810 feierte man das erste Oktoberfest. Das hatte schon bald den Charakter eines bayerischen Nationalfests, das die unterschiedlichen Landesteile einen sollte. Es sollte sozusagen eine gesamt-bayerische Identität schaffen, in der sich auch Schwaben, Pfälzer und Franken wiederfinden können.

BZ: Heute hat man aber eher den Eindruck, dass es sich um eine oberbayerische Veranstaltung handelt.

Egger: Das liegt vor allem an der Kleidung. Die typische Wiesn-Tracht – also Lederhose bei Männern, Dirndl bei Frauen – ist ja eigentlich etwas dezidiert oberbayerisches, kommt also aus dem Münchner Raum. Wir in Bayerisch-Schwaben kannten so etwas lange Zeit gar nicht. Mittlerweile ist die Lederhose aber im Mainstream angekommen und wird überall in Bayern zu bestimmten Festen angezogen. Doch das ist ein Phänomen der jüngeren Vergangenheit. Vor 20 Jahren hätten Sie selbst auf der Wiesn kaum junge Menschen in Dirndl oder Lederhose gesehen.

BZ: Das verwundert aber. Wiesn-Kleidung ist mittlerweile überall in Deutschland präsent – auch junge Leute ziehen sie an.

Egger: Dabei sind Dirndl beispielsweise gar keine historische Trachten, sondern erst Ende des 19. Jahrhunderts in Oberbayern oder Österreich erfunden worden. Das waren Kleider für die Städterinnen in der Sommerfrische. Dass sie so populär geworden sind, liegt an den Bildern, die da transportiert werden. Bilder sind in unserer Zeit so wichtig wie nie zuvor. Und dazu kommt, dass die Wiesn-Kleidung sehr einfach gehalten ist. Schauen Sie mal die Schwarzwälder Tracht an, die ist viel komplizierter aufgebaut. Da ist die Hemmschwelle viel größer, so etwas anzuziehen. Je einfacher die Bilder gehalten sind, desto stärker sind sie in ihrer Wirkung.

BZ: Aber woran liegt denn die Begeisterung für das Oktoberfest?

Egger: Das ist das Gesamtpaket und die Kleidung spielt da eine große Rolle. Das ist wie beim Fasching, man zieht sich ein Kostüm an, mit dem man in eine ganz neue Rolle schlüpft. Aber auch die Musik, die Rituale, die Geselligkeit – das alles ist wie ein Gute-Laune-Kit, mit dem man einmal abschalten kann. Und natürlich sind auch die Sehnsucht nach Einfachheit und eine romantische Vorstellung vom Leben auf dem Land ein Thema. Zu zeigen, wo man herkommt, ist wichtig – gerade in Zeiten der weltweiten Vernetzung. Globalisierung und Regionalisierung gehen immer Hand in Hand.

BZ: Um zur Eingangsfrage zurückzukehren: Gehen Sie auch nach Jahren der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Oktoberfest in diesem Jahr hin?

Egger: Das kann ich nicht. Ich bin gerade in den USA. Aber auch in New York gibt es ein Oktoberfest, im letzten Jahr war das sogar komplett ausgebucht. Die Wiesn ist einfach weltweit zu einer bedeutenden Marke geworden.

Simone Egger studierte Volkskunde, Ethnologie und Kunstgeschichte an der LMU München und promovierte über Münchner Stadtgeschichte in den 60er Jahren. Derzeit ist sie Dozentin an der Universität Innsbruck.

Ressort: Panorama

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