Das aufmüpfige Kind
DRAMA: Kai Wessel hat die kurze Geschichte des von den Nazis ermordeten Ernst Lossa verfilmt.
Anke Sterneborg
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen
Regisseur Kai Wessel ist mit dieser Geschichte in seinem Element: Neben diversen Fernsehkrimis hat er sich mehrfach in Kino und Fernsehen mit der schwierigen deutschen Geschichte befasst, unter anderem in der zwölfteiligen Serie "Klemperer – Ein Leben in Deutschland".
Während die Buchvorlage das ganze Leben rekapituliert, konzentriert sich der Film – nach einem Drehbuch von Holger Karsten Schmidt – auf die Zeit, die der Halbwaise Ernst Lossa (Ivo Pietzcker) in der Heil- und Nervenanstalt Kaufbeuren verbrachte, in die er als aufmüpfiges Kind eingewiesen wurde. Von Anfang an sieht
der Zuschauer die Welt durch seine Augen: Ernst taxiert seine neue Umgebung, sichtlich argwöhnisch durch die schlechten Erfahrungen, die er in Kinderheimen gemacht hat. Doch nichts bereitet ihn auf das Grauen vor, das hier hinter den oberflächlichen Fürsorge- und Heilungsabsichten lauert. So beginnt ein Coming-of-Age unter extremen Bedingungen. Pietzcker verkörpert diesen Ernst mit derselben Intensität wie schon den Titelhelden in Edward Bergers Film "Jack".
Mit einer schillernden Mischung aus Selbstbewusstsein und Unsicherheit, aus jugendlichem Entdeckergeist, Sensibilität und trotzigen Widerstand reagiert er auf die Zumutungen des Ortes und der Zeit, wachsam für die harsche Wirklichkeit hinter dem versöhnlichen Schein.
Störrisch geworden durch seine bisherigen Lebenserfahrungen, lechzt er dennoch nach einer Zuwendung, auf die der Leiter der Anstalt, Dr. Walter Veithausen, bei der ersten Begegnung hoffen lässt. Für Sebastian Koch ist es eine fast unlösbare Aufgabe, die richtige Balance zwischen väterlichem Freund und skrupellosem Naziarzt zu finden. Auch wenn man einräumt, dass Menschen immer versuchen, ihr schauriges Tun zu rationalisieren, bleibt seine Ausstrahlung doch zu sympathisch, um glaubhaft einen Mann zu verkörpern, der jeden Tag einen Teil seiner Patienten zum Tode verurteilt und die perfide Idee entwickelt, Gemüsesuppe auf den Speiseplan zu setzen, der durch endloses Kochen jegliche Nährstoffe entzogen wurden.
Auch Henriette Confurius bleibt wenig
Spielraum für ihre Krankenschwester, die
mit lächelnder Unerbittlichkeit den tödlichen Himbeersaft verteilt. Was bleibt, ist das ernste, mürrische und verschmitzte Gesicht Pietzkers – der derzeit nicht vorhat, Schauspieler zu werden.
Kommentare
Liebe Leserinnen und Leser,
leider können Artikel, die älter als sechs Monate sind, nicht mehr kommentiert werden.
Die Kommentarfunktion dieses Artikels ist geschlossen.
Viele Grüße von Ihrer BZ