Das aufmüpfige Kind

DRAMA: Kai Wessel hat die kurze Geschichte des von den Nazis ermordeten Ernst Lossa verfilmt.  

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Glaubhafter Trotz, unglaubwürdige Grau...och  in „Nebel im August“   | Foto: dpa
Glaubhafter Trotz, unglaubwürdige Grausamkeit: Ivo Pietzcker und Sebastian Koch in „Nebel im August“ Foto: dpa
Die ebenso unschuldigen wie wachen Augen eines Kindes haben sich als Guckloch zu den historischen Gräueln der Nazizeit schon vielfach bewährt. Nach Filmen wie "Der Junge im gestreiften Pyjama" oder "Das Tagebuch der Anne Frank" gilt das auch für "Nebel im August", die Verfilmung des Tatsachenromans, in dem der Journalist Robert Domes die reale Lebensgeschichte von Ernst Lossa nacherzählt. Lossa wurde im Rahmen des nationalsozialistischen Euthanasie-Programms im Alter von nur 13 Jahren ermordet. Seine Krankheit: schwer erziehbar.

Regisseur Kai Wessel ist mit dieser Geschichte in seinem Element: Neben diversen Fernsehkrimis hat er sich mehrfach in Kino und Fernsehen mit der schwierigen deutschen Geschichte befasst, unter anderem in der zwölfteiligen Serie "Klemperer – Ein Leben in Deutschland".

Während die Buchvorlage das ganze Leben rekapituliert, konzentriert sich der Film – nach einem Drehbuch von Holger Karsten Schmidt – auf die Zeit, die der Halbwaise Ernst Lossa (Ivo Pietzcker) in der Heil- und Nervenanstalt Kaufbeuren verbrachte, in die er als aufmüpfiges Kind eingewiesen wurde. Von Anfang an sieht
der Zuschauer die Welt durch seine Augen: Ernst taxiert seine neue Umgebung, sichtlich argwöhnisch durch die schlechten Erfahrungen, die er in Kinderheimen gemacht hat. Doch nichts bereitet ihn auf das Grauen vor, das hier hinter den oberflächlichen Fürsorge- und Heilungsabsichten lauert. So beginnt ein Coming-of-Age unter extremen Bedingungen. Pietzcker verkörpert diesen Ernst mit derselben Intensität wie schon den Titelhelden in Edward Bergers Film "Jack".

Mit einer schillernden Mischung aus Selbstbewusstsein und Unsicherheit, aus jugendlichem Entdeckergeist, Sensibilität und trotzigen Widerstand reagiert er auf die Zumutungen des Ortes und der Zeit, wachsam für die harsche Wirklichkeit hinter dem versöhnlichen Schein.

Störrisch geworden durch seine bisherigen Lebenserfahrungen, lechzt er dennoch nach einer Zuwendung, auf die der Leiter der Anstalt, Dr. Walter Veithausen, bei der ersten Begegnung hoffen lässt. Für Sebastian Koch ist es eine fast unlösbare Aufgabe, die richtige Balance zwischen väterlichem Freund und skrupellosem Naziarzt zu finden. Auch wenn man einräumt, dass Menschen immer versuchen, ihr schauriges Tun zu rationalisieren, bleibt seine Ausstrahlung doch zu sympathisch, um glaubhaft einen Mann zu verkörpern, der jeden Tag einen Teil seiner Patienten zum Tode verurteilt und die perfide Idee entwickelt, Gemüsesuppe auf den Speiseplan zu setzen, der durch endloses Kochen jegliche Nährstoffe entzogen wurden.

Auch Henriette Confurius bleibt wenig
Spielraum für ihre Krankenschwester, die
mit lächelnder Unerbittlichkeit den tödlichen Himbeersaft verteilt. Was bleibt, ist das ernste, mürrische und verschmitzte Gesicht Pietzkers – der derzeit nicht vorhat, Schauspieler zu werden.

"Nebel im August" (Regie: Kai Wessel) läuft in Freiburg, Lörrach Ab 12.

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