Das Abitur in der Tasche und einen Landtagssitz in Aussicht
Julia Bonk ist 18 Jahre jung - ihre politische Karriere begann sie als Schulsprecherin, nun kandidiert sie für die PDS für einen Sitz im sächsischen Landtag.
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Eben mal so beendet Julia Bonk den Streit der vier wütenden Kontrahenten und kommt hinterher mit allen ins Gespräch. "Die Mädchen haben falsch gehandelt", stellt sie sachlich fest, "aber der Mann kann trotzdem nicht einfach zuschlagen." Eines stört sie besonders: "Es gibt gerade hier noch immer Vorbehalte gegen Menschen mit dunkler Hautfarbe."Doch es bleibt kaum Zeit darüber nachzudenken, schließlich wartet mit dem Empfangskomitee am Bahnhof Torgau schon der nächste Kampf auf sie: der Wahlkampf. Die 18-Jährige hat seit einigen Wochen ihr Abitur in der Tasche und eine Karriere in Aussicht, an die andere frühestens mit dreißig zu denken wagen. Wenn am kommenden Sonntag die sächsischen Wahllokale von Oberwiesental bis Niesky öffnen, wird Julias Name auf Platz 21 der PDS-Liste zu finden sein: Bei den aktuellen Umfragewerten ein sicherer Platz im Dresdner Landtag. Doch jetzt heißt es zunächst interessiert sein, zuhören, argumentieren, grußworten - und bloß nicht gähnen: RTL ist nämlich auch da.
Der PDS-Ortsverein Torgau ist nicht nur mit drei Mitgliedern präsent, er hat auch eine Stadtführung organisiert. Spitzenkandidat Peter Porsch muss "gerade eben noch pullern gehen" und dann kann's losgehen. Julia Bonk wünscht sich rote Regenschirme. Farbe bekennen im Wahlkampf ohne wirklich Mitglied zu sein. "Ich bin nicht in die PDS eingetreten, weil ich mich bisher nicht immer völlig rückhaltlos identifizieren konnte", erklärt Julia, die auch die Strategie ihrer Partei durchschaut hat. "Die haben mich ganz gern so in der Ecke des hübschen Gesichtes der Partei."
Dass Julia Bonk mehr zu bieten hat, wird bei inhaltlichen Fragen schnell klar: Ihre Themen heißen nicht nur Ganztagsschule oder Pisa - sie kämpft für "eine gerechte Schule mit Chancengleichheit für alle". Besonders interessiert sie neben Bildungsfragen auch die Haushaltspolitik und selbst vor Hartz IV macht Julia Bonk nicht halt. Ihre Karriere beginnt früh. Schon in der fünften Klasse stellt sie sich der ersten demokratischen Wahl - zur Klassensprecherin. "Die anderen waren einfach zu schüchtern." Es folgt nach der Amtsübernahme durch Freundin Anita die Funktion der Schulsprecherin, bis dann auch noch die Schülervertretung auf Stadt- und Landesebene ruft. "Ich habe immer sehr polarisiert. Einige mögen mich wirklich, andere können mit mir als Person offenbar wenig anfangen."
"Ich schaue lieber nach vorn als zurück." Julia Bonk (18 Jahre)
Doch das "schöne Gesicht des Sozialismus" ("Neues Deutschland") geht seinen Weg, verwaltet neben Chemie- oder Englischhausaufgaben 60 000 Euro Budget für die Landesschülerarbeit, gibt Broschüren heraus und organisiert Diskussionen. "Ich wollte wirklich etwas bewegen", sagt sie. "Die Motivation war der Lehrermord in Meißen, auch wenn das jetzt wie für die Zeitung gesprochen klingt." Klingt es tatsächlich, aber man nimmt es ihr ab. "Ist die wirklich erst 18?", fragt der RTL-Redakteur die Kollegen. Die Journalisten versuchen Julia zu belehren und erteilen Nachhilfe im Wirtschaftssponsoring von Schulen. Doch sie meint etwas anderes: Es geht ihr um unternehmerische Verantwortung. Und schon ist sie bei Noten als Ersatzmotivation und bei Hartz IV. Auf der Bühne musiziert mittlerweile Alleinunterhalter "Horst" - und versetzt mit Playback-Chor und -Orchester noch nicht mal die spärlich eintrudelnden Rentner in Stimmung. "Der ist wirklich peinlich", entschuldigt sich die Kandidatin in Richtung der Journalisten. Und nur Augenblicke später moderiert sie auf der Bühne und bedankt sich bei Horst "für die tolle stimmungsvolle Einlage".
Demokratisch-sozialistisches Bodenpersonal verteilt Aufkleber, Wutbälle, Hanftütchen und anderes Spielzeug. Ob sie lieber mit Playmobil oder Lego gespielt hat? "Mit Kindern", antwortet sie ohne nachzudenken. Gregor Gysi soll gleich kommen, doch da ist Julia schon längst weg. Elf Minuten noch bis zur Abfahrt des Zuges nach Berlin. Zeit genug für ein letztes Interview mit dem ZDF für "Berlin direkt". Ja, es mache ihr Angst, dass die rechten Parteien in Sachsen so stark Fuß fassen - und augenblicklich verschwindet sie in Richtung Bahnhof, nicht ohne "danke" gesagt zu haben. Im Zug erklärt sie, warum sie besser in Fahrtrichtung sitzt: "Ich schaue lieber nach vorn als zurück." Und schon spricht sie wieder von politischen Visionen.
Martin Müller
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