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Brief in die Zukunft

Die Stadt Freiburg sammelt Briefe, die erst in 100 Jahren gelesen werden sollen / Was könnte man den Menschen mitteilen?.  

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Empfänger unbekannt: Und trotzdem soll man etwas zu Papier bringen.  | Foto: VALERIYA POTAPOVA
Empfänger unbekannt: Und trotzdem soll man etwas zu Papier bringen. Foto: VALERIYA POTAPOVA

Freiburg lädt dazu ein, eine Art Flaschenpost zu schreiben. Statt in einer Flasche auf dem Meer herumzutreiben, werden die Botschaften der Menschen allerdings gesammelt. Erst in 100 Jahren sollen sie geöffnet werden. Anlass dieser Aktion ist das 900-jährige Jubiläum der Stadt. Im Rahmen von Zischup hat sich Natalia Schöberl bereits überlegt, was sie der Nachwelt schreiben würde.

Vor dem alten Rathaus in Freiburg wurde ein Briefkasten aufgestellt, in den man selbstgeschriebene Briefe einwerfen kann, die bis in das Jahr 2121, dem 1000. Jubiläum der Stadt verwahrt werden. Jede, die, und jeder, der mag, kann ein paar eigene Zeilen schreiben, den Umschlag dort einwerfen und hoffen, dass er in hundert Jahren von jemandem gelesen wird, für den es vielleicht etwas ganz Besonderes ist, dieses Stück Papier in den Händen zu halten.

Wenn man bedenkt, was seit 1921 alles so in unserer Welt passiert ist, kann man nicht in Worte fassen, wie es wohl in weiteren hundert Jahren auf der Erde aussehen wird. Unsere Gesellschaft, die Kultur, die Dinge, die uns wichtig sind – das und vieles mehr hat sich in den vergangenen Jahrzehnten weiterentwickelt. Natürlich steht es jeder und jedem frei, zu schreiben, was man den Menschen in der Zukunft mitteilen möchte, doch viele werden sich auf die Pandemie und unsere jetzige Situation beziehen, da es sehr wichtig ist, unsere Erfahrungen und Gefühle festzuhalten und an unsere Nachfahren weiterzugeben.

Vor Freiburgs altem Rathaus steht ein Briefkasten

Es funktioniert so: Schreiben Sie einen Brief, den niemand zu lesen bekommt, außer diejenigen, die ihn hoffentlich in hundert Jahren öffnen werden. Die Angaben des Absenders sind nicht festgelegt. Wenn man nicht will, dass bekannt wird, von wem der Brief stammt, bleibt man anonym. Man kann den Brief entweder vor dem alten Rathaus in Freiburg in den Briefkasten einwerfen, oder ihn auch über die Post schicken – weitere Informationen hierzu findet man auf der Homepage der Stadt Freiburg.

Viele werden sich allerdings fragen: Weshalb sollte ich das machen? Ganz einfach: Würde es nicht jede und jeden interessieren, einen Brief zu lesen, der hundert Jahre alt ist und kurz nach dem Ersten Weltkrieg geschrieben wurde? Nun stellt man sich vor, dass Menschen in weiteren hundert Jahren vielleicht auch gerade wissen möchten, was wir in der Pandemie erlebt haben, was wir daraus mitgenommen haben, was uns wichtig ist, wie wir uns fühlen und was es für neue Entdeckungen gibt.

Außerdem könnte man die Menschen der Zukunft daran erinnern, wie die Welt einmal war und was unsere jetzigen Probleme sind, wie zum Beispiel die Umweltverschmutzung oder der Klimawandel. Natürlich sind nicht nur wir im Mittelpunkt, wir könnten auch Fragen stellen, die uns im Moment interessieren. Auch sie geben einen Eindruck, wie wir in die Zukunft blicken. Später werden die Leute vielleicht darüber schmunzeln, über was wir uns Gedanken gemacht und womit wir uns beschäftigt haben. Kurz: Die Zukunft lernt so, wie die Menschen vor hundert Jahren getickt haben.

Außerdem können sich die Briefe auch in Schätze verwandeln, denn man weiß schließlich nie, ob es in hundert Jahren überhaupt noch Papier auf der Erde gibt, oder ob alles digital verläuft. All das ist nur Spekulation, kann aber trotzdem als Schreibmaterial verwendet werden, genauso wie Bilder, die man hinzufügen kann. Wer weiß, wann die Zukunft das letzte Mal einen Baum gesehen hat oder Tiere im Zoo?

So sagt der Ethnologe und Soziologe Johannes Rühl zu dem Projekt: "Mit diesen Briefen erhält das 1000-jährige Stadtjubiläum ein starkes Echo aus einer ungewöhnlichen Zeit der Freiburger Stadtgeschichte. Und da es sich um verschlossene, private Briefe handelt, vermitteln sie den Menschen in 100 Jahren ein eindrückliches Bild der subjektiven Realität von heute." Dadurch, dass man anonym bleibt, schreiben bestimmt einige Menschen auch Gedanken und Fragen auf, die sie laut niemals ausgesprochen hätten, zum Beispiel was die Zukunft bringt oder wie fortschrittlich unsere Denkweise war.

Jede und jeder kann seine eigenen Meinungen, Ansichten und Gedanken auf einem Stück Papier festhalten, sodass die Bürger der Zukunft durch diese Zeitkapsel fühlen können, wie die heutigen Menschen leben. Ein wenig ironisch steht hierzu auf dem Briefkasten vor dem Rathaus: "Nur für Briefe aus dem 900. ins 1000. Jubiläumsjahr." So soll vermieden werden, dass Leute ihre normalen Briefe einwerfen. Ob das Projekt jedoch funktioniert, wird man leider erst in hundert Jahren erfahren können.

So viel zu den Rahmenbedingungen. Zischup-Autorin Natalia Schöberl hat sich im Briefeschreiben versucht – das Geschriebene allerdings nicht in den Briefkasten am Rathaus eingeworfen. Der hier abgedruckte Brief ist ein Beispiel dafür, was man im Rahmen des Projektes "Briefe aus dem 900. ins 1000. Jubiläumsjahr – Alles Liebe, Dein/e…" zu Papier bringen könnte:
Liebe Freiburger/innen,
wenn euch dieser Brief erreicht, sind mittlerweile 100 Jahre vergangen und die Erde sowie auch die Menschen haben sich weiterentwickelt, wie wir es in dem letzten Jahrhundert getan haben. Wie vielleicht aus den Erzählungen oder dem Geschichtsunterricht hervorgeht, lebt die Menschheit gerade in einer Pandemie, die unseren Alltag sehr stark beeinflusst. Ich als Schülerin habe Online-Unterricht, das heißt, dass ich zuhause meine Schulaufgaben mache und mit einem Tablet an Videokonferenzen teilnehme, in denen wir zusammen mit den Lehrerinnen und Lehrern eine Art Unterricht abhalten.

Die meisten Läden haben geschlossen, bis auf die Lebensmittelläden sowie Drogerien, damit sich das Virus nicht so schnell verbreitet. Dazu gehört auch das Vermeiden von Kontakten. Wir alle leiden darunter, unsere Freunde und Familie nicht mehr sehen zu können, und jeder Tag scheint gleich abzulaufen.

Doch das Virus ist natürlich nicht das einzige, was uns beschäftigt. Der Klimawandel ist ebenfalls ein großes Thema. Es gab bis zu der Pandemie große Proteste und wir versuchen, so viel wir können, Energie zu sparen und nicht mehr so viel mit dem Auto zu fahren. Wie ist das bei euch, habt ihr das Problem gelöst, oder gibt es bei euch so etwas wie Schnee im Winter gar nicht mehr?

Ein wichtiges Thema ist ebenfalls die Abholzung von Regenwäldern und generell den Bäumen, da die frei gewordenen Flächen zum Anbau benutzt werden. Gibt es bei euch überhaupt noch Papier, das aus Bäumen gemacht wird? Natürlich gibt es nicht nur schlechte Seiten, zum Beispiel gibt es hier viele Naturzonen, in denen sie wachsen dürfen, wie sie wollen. Vor Corona konnten wir noch in Urlaub ans Meer fahren oder mit einem Flugzeug zu außergewöhnlichen Städten fliegen. Wenn man aus dem Fenster schaut, sieht man immer irgendwelche Tiere, meistens Vögel oder Insekten. Wie viele Arten von Tieren gibt es noch? Sind Elefanten, Giraffen oder Löwen mittlerweile nur noch in Büchern zu finden?

Ich frage mich, wie eure Zukunft wohl aussieht, doch ich glaube, dass ihr einen Weg gefunden habt, unsere derzeitigen Probleme zu lösen, schließlich findet der Mensch immer einen Weg zu überleben. Alles Liebe...

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 23. April 2021: PDF-Version herunterladen

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