Bitte ruhig jubeln

In Berlin beginnt an diesem Freitag die EM  im Blindenfußball.  

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  | Foto: Maurizio Gambarini
Foto: Maurizio Gambarini

BERLIN (dpa). Vor elf Jahren kam der Blindenfußball nach Deutschland. Nun ist Berlin erstmals Austragungsort einer Europameisterschaft. Das deutsche Team fiebert der EM-Atmosphäre entgegen – Jubel und Gesänge sind dabei aber nicht immer gefragt.

Laut hallt die für Außenstehende kryptische Anweisung über den idyllisch gelegenen Kunstrasenplatz im Berliner Westen. "Schwarz zwei, schwarz zwei." Gekonnt dribbelt Taime Kuttig den rasselnden Ball zwei Schritte zur Seite und hämmert ihn ins obere Toreck. Die Kombination aus Farbe und Zahl steht für eine bestimmte Freistoßvariante, auch beim folgenden Angriff ruft ein Trainer hinter dem Tor immer wieder Kommandos ins Spiel, vor Zweikampfduellen warnen sich die Spieler gegenseitig mit Rufen.

Beim Blindenfußball entscheidet neben Technik und Ballgefühl auch ein feines Gehör – weshalb das deutsche Nationalteam sich zwar unbändig auf die Atmosphäre bei ihrer ersten Heim-EM freut, während der Spiele aber immer wieder eher gedämpfte Tennisstimmung benötigt. "Wenn der Ball im Tor oder im Aus ist, können die Fans gerne ausrasten, jubeln und singen", erläutert Torwart Sebastian Themel, "aber ansonsten ist Ruhe gefordert. Sonst leidet auch das Spiel darunter."

Bis zu 2000 Zuschauer werden von diesem Freitag an zu den Spielen in der Arena am Anhalter Bahnhof in der Hauptstadt erwartet, das Eröffnungsspiel gegen Italien ist so gut wie ausverkauft. Eine rasante Entwicklung des Sports, den es in Deutschland erst seit gut einem Jahrzehnt gibt. "Wenn wir den Leuten erzählen, wie amateurhaft das in den ersten Jahren war, würden sie mit dem Kopf schütteln und wahrscheinlich gar nicht mitmachen", erinnert Kapitän Alex Fangmann.

Vor allem das englische Nationalteam vermittelte 2006 bei einem Workshop in Berlin das Basiswissen, der 32-Jährige ist vom ersten Tag an dabei. "Es ist cool, dass viele Freunde und Familienmitglieder sich die Spiele mal vor Ort anschauen können", schwärmt der Spieler vom MTV Stuttgart über die Heim-EM mit insgesamt zehn Teilnehmern. Vier Spieler pro Team stehen auf dem mit Banden umgrenzten Feld und tragen Masken, um unterschiedliche Sehstärken auszugleichen, sowie Kopfschutz gegen Zusammenstöße. Dazu kommt der Torwart, der als einziger sehend ist – und mit Halten und Guiden (Rufen) gleich zwei Aufgaben hat. Aus sechs Metern fliegen die schweren Bälle beim Strafstoß aufs Tor. "Dort wo die Rasseln eingenäht, ist der Ball schon ganz schön hart, das möchte man nirgendwo hinbekommen, wo es wehtut", erzählt der Chemnitzer Themel schmunzelnd.

Als sportliches Ziel gibt die deutsche Auswahl den Sprung ins Halbfinale aus, was die Qualifikation für die WM im kommenden Jahr in Spanien bedeuten würde. Titelverteidiger ist die Türkei, wo unter semiprofessionellen Bedingungen gespielt wird.

In Deutschland kommen hingegen lediglich 30 Spieler aufgrund ihrer Qualität überhaupt für das Nationalteam in Frage, berichtet Team-Manager Rolf Husmann. Auf den neuen Trainingspullis prangt das Logo der DFB-Stiftung Sepp Herberger, auch das Trainingslager auf der Anlage des FV Wannsee wird so finanziert. "Wir hoffen, dass sich das noch ausbaut", sagt Husmann zur Unterstützung durch den Deutschen Fußball-Bund.

Auch auf anderen Gebieten ist eine größere Öffnung zu erkennen. So wechselte Kuttig zuletzt zu Borussia Dortmund, das zuletzt den Blindensport in die Fußball-Abteilung integrierte. Ein großer Traum ist für die deutsche Nationalmannschaft aber noch unerfüllt: Die Teilnahme bei den Paralympics. "Wir haben aufgeholt", sagt Cheftrainer Ulrich Pfisterer    optimistisch. "Auf   europäischer Ebe-  ne sind wir dabei   und auf Augenhö-  he, da kann alles    passieren."

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