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Beats mit Bongos auf der Bühne

Allenthalben laufen die Vorbereitungen auf das dritte große Jugendkulturfestival in Freiburg auf Hochtouren, bei dem Jugendliche ihre junge Kultur auf diverse Bühnen bringen - so auch "unitedworlddotcom". Ein besonderer Probenbericht / Text: Eva Müller und Fotos: Jens Schwengel.  

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D as Jugendkulturfestival kommt. Es kommt als erstes Highlight nach den Sommerferien - und lässt allen, die sich da zeigen werden, Zeit genug für eine fette Vorbereitung. Bands, Theatergruppen, Tanzensembles und Modeperformer: alle schuften aktuell in ihren Studios, Trainingsräumen, Ateliers. So auch die Mitwirkenden eines bemerkenswerten Projekts: unitedworlddotcom. Für die JuZ konnte Eva Müller bei den Proben schon etwas von deren irrwitziger rhythmischen Inspiration miterleben.

Bizarre rhythmische Klänge, die ein wenig an die Riten der Naturvölker erinnern, tönen aus dem "Haus der Jugend" in der Uhlandstraße. Während die meisten im Schwimmbad oder am Baggersee der Hitze zu entkommen versuchen, proben ein Dutzend höchst motivierter Teenager ganz schön unverdrossen für eine Show der ganz besonderen Art. Sie nennen sich "unitedworlddotcom" - und das hat etwas zu bedeuten. "Vereinte Welt", das steht nicht allein für die Vielfältigkeit der musikalischen Äußerungen, sondern auch für die Zusammensetzung der Gruppe. Behinderte und nicht-behinderte Teenager aktivieren gemeinsam das gesamte Spektrum musikalischer Kreativität.

"Total witzig" findet die 20-jährige Saskia Hornung aus Freiburg die sonntäglichen Probentermine. Nur vor der Performance, sagt sie, hat sie ein bisschen Bammel. Unbegründete Sorgen. Denn falsche Tonlagen oder gar aus dem Takt kommen kann man bei dem von Margarete Mehring-Fuchs und Ro Kuijpers erarbeiteten Stück nicht. Ro - gebürtiger Amsterdamer und leidenschaftlicher Percussionist - hat sein für das Jugendkulturfestival entworfenes Stück so konzipiert, dass freies Improvisieren ein Teil des vierzigminütigen Konzertes sind. Das Thema ist die Entstehung der Erde, und deren Entwicklung bis zur heutigen Zeit. Wer nun wissenschaftlich-theoretische Big-Bang-Thesen von Guth und Welterklärungsmodelle von Huntington erwarten würde, der hat weit gefehlt. Denn jeder Jugendliche hat hier ganz individuelle Vorstellungen von der Erdentstehung - und lässt seine Zukunftsprognosen in die bewegte Performance mit einfließen.

Ob die Mutmaßungen über eine viereckige Erde, der Glaube an weit entfernte, von Außerirdischen besiedelte Planeten oder gar apokalyptische Endzeitvision: hier werden die Ideen der jungen Teilnehmer musikalisch-dramaturgisch umgesetzt. Was das heißt? Durch die Musik wird auch Unfassbares beschrieben und dadurch eben doch fassbar. Das Ergebnis ist ein bunter, aber harmonischer Klangwirrwarr, der viel Raum für die Fantasie der jungen Künstler und auch der Zuhörer lässt. Das Besondere: keine Probe gleicht der anderen und jede Performance wird einzigartig sein. Wiederholung ausgeschlossen.

"Dies ist keine Therapie für die geistig behinderten Kinder", betont Margarethe, deren leuchtend rote Haare - nach den rhythmischen Bewegungen ein wenig zerzaust - aus der Masse der Kinder hervorleuchten, "sondern ein musikalisches Experiment." Jeder der jungen Künstler wird für das Stück gebraucht, und zwar genauso wie er oder sie eben ist. Die vier Gymnasiasten Luis Schneider, Bela Janke, Manuel Wierer; und Jan Carl Jansen geben dem Stück mit monotonen gleichmäßigen Trommelschlägen eine klare Struktur. Marshall Wilde aus Waldkirch und ihre 15-jährige Freundin Uli Frankenschmidt mit Down-Syndrom geben dem Ganzen mit ihrem intuitiven, geschickten Umgang mit den Schlaginstrumenten ihre persönliche Note. "Besonders die musikalische Kreativität der behinderten Jugendlichen ist unersetzbar", schwärmt Margarethe. U nd die sechzehnjährige Lena Fuchs strahlt über das ganze Gesicht und schüttelt - als wolle sie das Kompliment postwendend unter Beweis stellen - gekonnt ihre Rassel. Außergewöhnlich sind auch die Instrumente: Neben der bekannten Trommel und den Bongos kommen Kacheln, Ziegelsteine und Konservendosen mit der Aufschrift "Rasseldose" zum Einsatz, Füllmenge 150 Gramm Reis, Zutaten: music, dance, Vitamine; Brennwert: explosiv. Geprobt wird für die musikalische Geschichte von unitedworlddotcom seit März, und zwar eisern einmal in der Woche. Anfang September bis zur Aufführung soll das Probenpensum noch erhöht werden.

Miguel Hernandez, der in Chile geboren ist, wischt sich den Schweiß von der Stirn und stöhnt. Vermutlich würde er am liebsten seine Sticks gegen eine riesige Portion Eis eintauschen. Dann ein aufmunterndes Lächeln von seiner Erzieherin Ingrid Kloos und Miguel gibt wieder dumpfe Beats mit dem hölzerneren "Frosch". Noch gibt es einiges zu tun: das Stück muss szenisch unterteilt werden, Uli bekommt einen Sprechpart, den sie noch heftig üben muss, und auch das Musizieren auf einer echten Bühne will geprobt sein. Saskia freut sich trotz Nervenkitzel auf ihren Auftritt. Und das Publikum des Jugendkulturfestivals kann auf diese Performance sehr gespannt sein: starke Lautmalerei, rhythmische Beats und ein "eschatologisch-kosmisches Welterklärungsmodell" - mit allen Sinnesorganen erfahrbar.

Sehr gute Infos zum Programm und zu allen Bands und Gruppen: http://www.jkf2003.de

Die musikalische Geschichte "unitedworlddotcom" wird während des Jugendkulturfestivals zweimal im Augustiner-Museum aufgeführt: am Freitag, 12. September, um 19.40 Uhr und am Samstag, 13. September, um 16.30 Uhr.

Ressort: Zisch

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