Antisemitismus
Auch in Südbaden sind viele Juden verunsichert
Der Antisemitismus hinterlässt Spuren: Viele Juden im Südwesten fürchten sich vor Anfeindungen und gehen zurzeit lieber ohne ihre Kippa auf die Straße. Doch sie sind froh, in Deutschland zu leben.
Di, 17. Feb 2015, 19:53 Uhr
Südwest
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Youtube: Journalist läuft zehn Stunden lang mit Kippah durch Paris
"Ich empfinde die Atmosphäre gerade als bedrohlich", sagt ein Jude aus der Nähe von Freiburg, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Es sei zwar schon acht Jahre her, dass er auf der Straße angefeindet worden sei, doch seit sich die Anschläge in Frankreich häuften, frage er sich oft: Was kommt als Nächstes?
Damals hätten ihn Jugendliche mit russischem Migrationshintergrund angepöbelt. Jetzt fürchtet er sich vor allem vor radikalen Muslimen. "Ich habe selbst Muslime in meinem Bekanntenkreis, mit denen ich mich sehr gut verstehe", sagt er. Zudem seien einige seiner Angestellten Muslime, aber die seien alle moderat. Er wünscht sich, dass der Staat bei radikalen Muslimen klare Grenzen zieht und bei menschenverachtenden Äußerungen mehr Härte zeigt. "Wir müssen die westliche Demokratie verteidigen. Heute sind es Juden, die von den Fanatikern verfolgt werden, morgen Christen in den arabischen Ländern und übermorgen liberale Muslime – das kann doch nicht sein." Diese Leute könne man mit freundlichen Gesprächen nicht stoppen.
Seit einiger Zeit trage er seine Kippa in der Öffentlichkeit nicht mehr und die Mesusa, eine Schriftkapsel am Türpfosten, die die Wohnung beschützen soll, hat er ebenfalls entfernt. Er selbst plane nicht auszuwandern, seine Verwandtschaft in Frankreich jedoch schon. "Die haben wirklich Angst. Sie fürchten sich bei jedem Gang in die Synagoge. Wenn mein Bekannter sich eine Flasche Kiddusch-Wein im Supermarkt kauft, fühlt er sich nicht mehr sicher. Erst kürzlich ist jemand erschossen worden, weil er sich Wein vor dem Schabbat-Abend gekauft hat. Die wollen jetzt weg aus Frankreich."
Wolfgang Fuhl, ehemaliger Vorsitzender der Israeliten Badens, schätzt die Situation anders ein. Der 54-jährige Lörracher sagt: "In Deutschland ist die Situation auch deshalb moderat, weil die Juden sehr säkularisiert leben und als solche kaum erkennbar sind. Trotz allem machen sich auch viele meiner Bekannten Gedanken." Dass das Thema "Auswanderung nach Israel" unter den Juden Deutschlands noch mal diskutiert würde, hätte er sich vor zwei Jahren nicht vorstellen können. "Bislang habe ich noch von keinen akuten Umzugsplänen gehört, aber diskutiert wird es schon", sagt er. Als Jugendlicher war Fuhl Mitglied bei den Jusos, vor einiger Zeit ist er in die AfD eingetreten – auch wegen der Zuwanderungspolitik, die dort anders diskutiert würde.
Auch in Freiburg zeigt sich die Israelitische Gemeinde besorgt um ihre Sicherheit. "Wir haben hier auch eine offene Stadt, trotzdem wachsen auch bei uns die Sorgen. Panik gibt es aber nicht", sagt Irina Katz, Vorsitzende der Israelitischen Gemeinde Freiburg. Die Gemeinde war bereits in Gesprächen mit den örtlichen Polizeibehörden. Diese haben die Synagoge in Freiburg in Augenschein genommen, um zu prüfen, ob genug für die Sicherheit getan wird. Ein Gutachten, welche technischen Vorkehrungen getroffen werden müssen, steht noch aus. Polizeipatrouillen wie in Frankreich gebe es aber nicht.
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