Zisch-Schreibwettbewerb Frühjahr 2021
Alfred, der Troll
Von Mathilda Clotten, Klasse 4, Sonnenberg Schule, Ballrechten-Dottingen
Do, 25. Mär 2021, 15:20 Uhr
Schreibwettbewerb
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Alfred schlief, tief eingewickelt in ein Fell, auf seinem felsigen Trollbett. Es war Frühling. Die ersten Sonnenstrahlen krochen hinter den Bergen hervor, stahlen sich durch das Fenster in Alfreds Zimmer und kitzelten ihn an der Nase. Ein schepperndes Bimmeln riss Alfred aus dem Schlaf, gerade als er einen sehr angenehmen Trolltraum hatte. Müde setzte er sich auf und stellte den Wecker aus. In Leuchtziffern stand da: 6.50 Uhr. Alfred tastete nach dem Wecker und stieß ihn von einem kleinen Felsen, der ihm als Nachttisch diente. Der Wecker rollte unter das Bett und rappelte noch kurz weiter. Alfred stand auf, gähnte und streckte sich und zog seine Lieblingskleider an, die nur aus einer Latzhose und einem Hemd bestanden. Trolle tragen niemals Socken oder Schuhe, das finden sie total uncool.
Als er in die Küche ging, stand dort schon seine Mutter Trollmarie. Sie war groß, hatte braune Haare wie ihr Sohn und hatte den leicht grünlichen Schimmer auf der Haut, den jeder Troll hatte. Sie lächelte und sagte: "Guten Morgen Alfred!" Als sie sich zu ihm umdrehte, sah er die Hörner, die aus ihrem Haar ragten. Jeder Troll, egal ob Mann oder Frau, bekam irgendwann Hörner. Sein Bruder Ruben hatte schon fast ausgewachsene Hörner. Damit prahlte er oft. Alfreds Hörner waren noch klein, was Ruben ihm oft unter die Trollnase rieb.
"Guten Morgen Mama", sagte Alfred. Als er ins Esszimmer schaute, sah er seinen Vater Franz und seinen Bruder Ruben. Alfred sagte: "Guten Morgen Papa, guten Morgen Ruben." Von beiden bekam er keine Antwort. Sein Vater und sein Bruder sahen sich sehr ähnlich: Sie waren groß gebaut, hatten schwarze Haare und dicke Hörner. Ein Unterschied zwischen beiden war, dass sein Vater größer und stärker war und eine wesentlich dickere Nase hatte (die dicke Nase war neben den Hörnern ein wichtiges Merkmal der Männlichkeit). Ruben gab, wie meistens, keine Antwort, aber von seinem Vater wollte Alfred eine Antwort haben. Er ging zu ihm und kitzelte ihn hinter seinen Hörnern. Das dröhnende Lachen seines Vaters hallte durch das Haus. "Schon gut Alfred, guten Morgen", sagte Franz, schob seinen Sohn weg und legte sich schützend die Hände hinter die Hörner.
"Alfred, du musst was frühstücken", sagte Mama Trollmarie und gab Alfred ein Rührei aus einem halben Dutzend Eiern, dazu acht Brote mit Schinken und noch zwei Stücke Apfelkuchen. Das klingt jetzt nach sehr viel, aber Trolle benötigen gewaltige Mengen an Essen.
Nach dem Frühstück putzte sich Alfred seine großen Trollzähne und schnappte sich seinen Lederbeutel, in dem sich seine Schulsachen befanden.
Dann machte er sich auf den Weg, denn seine Schule befand sich zirka zehn Kilometer von seinem Zuhause entfernt. Für Trolle ist das nur ein Spaziergang. Alfred hüpfte auf dem Weg entlang, riss unterwegs ein paar kleine Bäume aus und warf einen mittelgroßen Felsbrocken in den Bach. Alfred war bester Laune.
In der Schule war sein erstes Fach Mathe. Wie in vielen anderen Fächern auch unterrichtete ihn seine Klassenlehrerin, Frau Ohlsson. In Mathe war Alfred sehr gut. Heute lernte er schriftliches Multiplizieren. Es war gar nicht so schwierig, wenn man die Zahlen genau untereinanderschrieb. Anschließend hatte er eine anstrengende Sportstunde: Bockspringen über den Felsklotz, Steineschmeißen, Baumwurzelrupfen.
In der letzten Stunde hatte er "Trollisch". Frau Ohlsson erklärte die Hausaufgaben. "Auf diesem Blatt müsst ihr einen Text von der Gegenwart in die Vergangenheit umwandeln. Bei Aufgabe zwei müsst ihr in die Tabelle schreiben. Ach ja, und am nächsten Donnerstag schreiben wir ein Diktat! Auf diesem Blatt stehen die Lernwörter. Nina, teilst du bitte aus?" Nina, ein kleines Trollmädchen, teilte die Blätter aus. Alfred war erstarrt. Er hasste Diktate so sehr! Egal wie viel er lernte, er vergaß immer, wie man die Wörter richtig schrieb. Seine anfänglich gute Laune war im Keller.
Er war so in Gedanken vertieft, dass er gar nicht merkte, dass Trollon und Lino auf ihn warteten. Trollon war größer als Lino, hatte leicht gebogene Hörner, blaue Augen und blonde Haare. Lino war kräftig gebaut, hatte rötliche Haare, kleine Hörner wie Alfred. Das auffälligste Merkmal an ihm waren aber seine klargrünen Augen. Alfred wusste, dass die beiden dicke Freunde waren und dass man beide schon mehrmals mit Spickzetteln erwischt hatte. "Na, Angst vor dem Diktat?", fragte Trollon grinsend, während Lino einen kleinen Baum ausriss. Alfred mochte die beiden nicht besonders. Die beiden hingen die ganze Zeit zusammen und führten sich auf wie die Trollos. "Nö, nicht besonders", gab Alfred zurück und zuckte nur mit den Schultern. "Wenn ich noch ein wenig übe, wird’s schon klappen." "Üben, üben – was für ne Zeitverschwendung", meinte Lino, "üben ist nur was für Trollheimer. Wir machen das anders, nicht wahr, Trollon?" "Klar, Mann! Wir gehen lieber Steineschmeißen, als auf ein doofes Diktat zu üben!" Sie klopften sich gegenseitig auf die Schultern und liefen vom Schulhof.
Zuhause packte Alfred seine Schulsachen aus. "REIZWÖRTER" stand in großen Buchstaben auf dem Zettel. "BITTE UNBEDINGT LERNEN!" Wenn er "REIZWORT" schon las, konnte er glatt einen Baum ausreißen. Es waren schwierige Wörter, mit "ee" und "ie", scharfem "s" –wer sollte sich das alles merken?
Zwei Tage später war es so weit – Donnerstag – Diktattag! Wie immer machte ihm seine Mutter ein mächtiges Frühstück, und da sie wusste, dass Alfred heute ein Diktat schreiben musste, meinte sie es besonders gut mit ihm. Aber Alfred hatte keinen Hunger – ein dicker Klos in seinem Hals verdarb ihm den Appetit. Nervös lief er in der Stube auf und ab. Seine Mutter Trollmarie rief ihm zu: "Alfred, mein kleiner Troll, jetzt iss etwas. Oder trink zumindest deinen Früchtetee. Du musst jetzt zur Schule." Gedankenverloren schnappte sich Alfred eine Flasche, die auf dem Küchentisch stand, steckte sie in den Beutel und rannte nach draußen. "Tschüss, rief Alfred seiner Mutter zu und schlug den Weg zur Schule ein. Am liebsten wäre Alfred ganz langsam gelaufen, damit er das Diktat verpasste.
Als Alfred den Schulhof der Trollinger Schule erreichte, war schon mächtig was los. Jungtrolle aus den unteren Klassen rannten durch die Gegend, schubsten sich oder spielten "Bäumebiegen". Dabei ging es darum, einen mittelgroßen Felsklotz mit Hilfe eines gebogenen Baumstamms möglichst weit über den Schulhof zu werfen. Alfred ging zu seinem Klassenzimmer und stieß auf Trollon und Lino, die ihn schräg angrinsten. "Na, Alfred, fleißig geübt? Nicht, dass du die ganzen I’s und Ö’s vergisst", sagten sie hämisch. Wie ihm die beiden auf die Nerven gingen…
Im Klassenzimmer angekommen nahm er vor lauter Nervosität einen riesigen Schluck aus seiner Flasche und fand, dass der Früchtetee heute ziemlich seltsam schmeckte. Die Lehrerin sagte etwas, aber Alfred verstand sie nicht richtig. Er fühlte sich heiß und schwummrig. Als er auf seine Hand sah, bemerkte er, dass die Haut ganz braungrün wurde. Auf seinen Unterarmen erschienen seltsame Quaddeln und Pusteln, und seine Zunge wurde immer dicker. Seine Haut verfärbte sich dunkelgrün, und in seinen Ohren rauschte es, als ob ein Sturm im Anmarsch wäre. Er wollte etwas zu seiner Sitznachbarin Quereline sagen, bekam aber nur ein unverständliches Krächzen heraus. "ÄÄÄHH, wie siehst du denn aus?", rief Quereline, ein kleines, dickes Trollmädchen. "Frau OOOHHLSSON", war das Letzte, was Alfred hörte, bevor ihm schwarz vor Augen wurde.
Alfred flog – durch blauen und grünen Nebel, vorbei an mächtigen Felsen und rauschenden Wasserfällen. Große, bunte Vögel flogen durch die Luft. Unter ihm standen riesige Bäume mit weit ausladenden Ästen, auf denen kleine Tiere umher hüpften. Er schwebte durch eine ihm völlig unbekannte, wunderschöne Landschaft.
Auf ein Mal fand er sich in einer großen Halle wieder. Schummriges Licht drang durch trübe Fenster. Es war ein wenig unheimlich. Der Boden war übersäht von Papieren, Zeitungen und Buchseiten. An den Wänden standen riesige Regale und lange dunkle Gänge führten rechts und links der großen Halle in andere Bereiche des Gebäudes. Alfred sah sich erstaunt um. In der Mitte des Raumes stand eine große Maschine, bestehend aus Walzen, Schiebern, Schaltern und dicken Kabeln. Auf einem Tank daneben stand in Großbuchstaben "DRUCKERSCHWÄRZE". Alfred schritt durch die Halle – außer ihm war niemand zu sehen. Das laute Pochen in seinen Ohren musste wohl von seinem Herz kommen, denn außer ihm schien niemand da zu sein.
Plötzlich hörte er ein Geräusch hinter sich. Aus einem der dunklen Gänge kam ein alter Ziegenbock zum Vorschein, mit Ziegenbart, Hörnern und – Brille! Alfred schluckte. "Hallo, Alfred", sagte die Ziege, "was machst Du denn hier?" Alfred starrte den Ziegenbock völlig verdattert an. "Wo bin ich hier?", fragte er, "und wer bist du?""Ich bin Gustav, und du bist in meiner Druckerei", meinte der alte Ziegenbock. Alfred sah sich in der großen Halle um, die von staubigen Deckenlampen spärlich beleuchtet wurde. Auch hier befanden sich große Regale, in denen sich hunderte alter Bücher befanden.
Das leise Getrappel von Hufen machte ihn stutzig. Was war das schon wieder? Aus einem der anderen Gänge kamen mehrere Ziegen hervorgetrappelt. Aber - es waren keine normalen Ziegen. Sie liefen auf zwei Beinen, hatten Schürzen an oder trugen eine Brille auf ihrer Ziegennase, manche trugen eine Schirmmütze. Alles kam Alfred sehr seltsam vor. "Das ist meine Familie", meinte Gustav und zeigte lächelnd auf die herankommende Ziegenfamilie, die mit leichtem Meckern Alfred begrüßte. "Lieber Alfred", sagte Gustav, "du befindest dich in der ältesten und geheimnisvollsten Druckerei in ganz Samaaland. Wir sind die Hüter der trollonischen Rezepte und verfügen über uraltes Trollwissen. Alle Rezepturen und Medizinbücher werden hier gedruckt und aufbewahrt."
Alfred, der immer noch ganz dunkelgrün und übersäht, war von Pusteln und Quaddeln, sah ihn mit großen Trollaugen an. "Und mir scheint, meinte Gustav, du hast ein kleines Problem!" Alfred sah an seinen verbeulten Trollarmen herunter, die so gar nichts mehr mit der schönen grünen Farbe der Trolle gemein hatte. Die Pusteln waren inzwischen noch größer geworden und fingen nun auch noch an zu jucken. Es war grässlich.
Eine Ziegenfrau kam auf ihn zu und betrachtete mit leisem Meckern seine Arme und sein Gesicht. "Klarer Fall von Trottelsucht", meinte die Ziege und sprang behände auf einen Stuhl. Sie stellte sich auf die Hinterbeine und holte ein verstaubtes Buch aus dem Regal.
Alfred las den Buchtitel: "Großes Heilbuch für Trolle". Er blätterte in dem Buch und hielt inne, als er eine Abbildung sah, die genau die gleichen Pusteln zeigte, wie er sie hatte. Darunter stand: "Die Abbildung zeigt eine Vergiftung mit der Frucht Alomateriastrollaris. Sie erzeugt eine allergische Reaktion wie die im Bild gezeigte. Als Heilmittel wird empfohlen: gestoßenes Froschherz, Schneckenschleim, Lotusblüte, Blätter vom Wunderkraut." Dazu die sehr kompliziert klingende Rezeptur. Alfred legte das Buch zur Seite und dachte sich: "Vielleicht liegt es am Tee, den mir Mama heute Morgen gab?"
Die Ziegenfrau zog ein kleines braunes Fläschchen aus ihrer Schürze. "Leg’ den Kopf nach hinten und schließ die Augen", sagte sie. "Ich werde dir von dieser Tinktur etwas auf die Stirn träufeln – das wird dir helfen!" Alfred legte den Kopf in den Nacken und spürte eine eiskalte Flüssigkeit auf seiner Haut. Er machte die Augen wieder auf und sah einen großen, grünlich schimmernden Kopf mit einem sehr besorgt dreinblickenden Gesicht: Frau Ohlsson stand über ihn gebeugt. Alles drehte sich und er fühlte sich miserabel. "Oh, unser Trollpatient wacht auf", hörte er eine tiefe Stimme sagen.
"Lotusblüten, Schneckenschleim, Froschherzen", krächzte Alfred mit belegter Stimme. "Sie helfen gegen die Trottelsucht!" Ein weiterer, noch größerer Kopf, dem die tiefe Stimme gehörte, tauchte vor Alfreds Gesicht auf. Es war Dr. Trollobert, der Schularzt.
Dr. Trollobert beugte sich über Alfred, runzelte die Stirn und fing an zu grinsen. "Probieren wir es doch mal mit dem hier", meinte der Doktor und träufelte Alfred eine widerlich schmeckende Flüssigkeit auf die Lippen. "Er schmeckt zwar nicht ganz so gut wie Himbeersaft, hilft aber gegen das Trollfieber. Offensichtlich hast du den Saft einer Trollkirsche getrunken. Aber, das kriegen wir schon hin." Nach einer kleinen Weile verschwanden die Pusteln und Höcker auf seiner Haut, und er sah wieder aus wie sonst auch – vielleicht ein bisschen bleicher…
Als Alfred wieder nach Hause kam, war seine Mutter Trollmarie sehr aufgeregt. "Alfred, du Unglückstroll, du hast die falsche Flasche mitgenommen. Anstelle des Früchtetees hast du das Mittel gegen Trollmöpse eingesteckt – na hoffentlich hast du davon nicht getrunken. Nicht auszudenken, was dann passiert wäre. Und, wie war dein Diktat?"
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