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Verlagslegende

Paukenschlag vor der Buchmesse: Der Suhrkamp-Verlag bekommt einen neuen Eigentümer

René Zipperlen
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  • Fr, 04. Oktober 2024, 18:13 Uhr
    Literatur & Vorträge

     

Der traditionsreiche Suhrkamp-Verlag hat einen neuen Eigentümer. Mit dem Ausscheiden der Stiftung des legendären Verlegers Siegfried Unseld und seiner Witwe endet eine Ära, die das Land geprägt hat.

Der legendäre Suhrkamp-Verleger Siegfr...974 mit Wolfgang Koeppen in Frankfurt.  | Foto: Digne M. Marcovicz (Suhrkamp)
Der legendäre Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld 1974 mit Wolfgang Koeppen in Frankfurt. Foto: Digne M. Marcovicz (Suhrkamp)

Gerade noch hat einer der wichtigsten deutschen Verlage, der das Kulturleben der zweiten Hälfte des 20. Jahrunderts geprägt hatte wie kaum ein zweiter, den 100. Geburtstag seines legendären Chefs Siegfried Unseld mit einer neuen Briefausgabe und der Veröffentlichung seiner internen "Chroniken" gefeiert, da kommt ein Paukenschlag aus Berlin: Der bisherige Minderheitsgesellschafter Dirk Möhrle wird den Verlag komplett übernehmen. Mit Auszahlung der Unseld-Witwe und Stiftungschefin Ulla Unseld-Berkéwicz verschwindet damit der Name Unseld aus dem Suhrkamp-Imperium.

"Frankfurter Allgemeine Zeitung" und "Süddeutsche Zeitung" hatten bereits am Freitagnachmittag unter Berufung auf Verlagskreise berichtet, Möhrle stehe kurz davor, seinen 39-prozentigen Anteil auf 100 aufzustocken, kurz nach 17 Uhr erklärte der Verlag in einer Pressemitteilung, Möhrle werde zum 1. November "alleiniger Inhaber der Verlage Suhrkamp und Insel". Der neue Inhaber selbst wird mit den Worten zitiert: "Den Autorinnen und Autoren des Verlags verspreche ich, langfristig und mit vollem Engagement meine Ressourcen einzubringen, damit in diesem einzigartigen Verlag auch künftig in verlegerisch unabhängiger Arbeit, gute, schöne und bedeutende Bücher entstehen können."

Damit endet eine ungemein fruchtbare Ära der deutschen Nachkriegskultur. Unter Siegfried Unseld wurde 1950 von Peter Suhrkamp gegründete Verlag mit Büchern von Bertold Brecht, Max Frisch, Ingeborg Bachmann, Peter Handke, Hermann Hesse, Christa Wolf, Uwe Johnson das prägende Verlagshaus der jüngeren Bundesrepublik. Internationale Autoren von Samuel Beckett, Marguerite Duras, James Joyce, Mario Vargas Llosa und Isabel Allende rundeten das Profil ab. Und die wissenschaftliche Reihe mit Werken von Theodor W. Adorno, Max Horkheimer, Ernst Bloch, Pierre Bourdieu oder Michael Foucault war so einflussreich, dass das Schlagwort der "Suhrkamp-Kultur" keine Phrase blieb. Unseld förderte auch intensiv jüdische Autorinnen und Autoren.

Laut "Süddeutscher Zeitung" hatte der Verlag wirtschaftliche Probleme und zuletzt mit einem Defizit im mittleren sechsstelligen Bereich zu kämpfen. Selbst die legendäre Villa von Siegfried und Ulla Unseld am langjährigen Verlagssitz Frankfurt, wo nach dem Umzug nach Berlin Veranstaltungen stattfanden, musste verkauft werden. Verleger bleibt Jonathan Landgrebe, der die nach einem Insolvenzverfahren gegründete

Ulla Unseld-Berkéwicz  | Foto: Christian Charisius (dpa)
Ulla Unseld-Berkéwicz Foto: Christian Charisius (dpa)

Suhrkamp AG seit 2015 führt. Unseld-Witwe Ulla Unseld-Berkéwicz erklärt in der Pressemitteilung: "Es war Zeit, die Verantwortung, die Siegfried Unseld mir ,abverlangt' hat, wie es bei Bertolt Brecht heißt, abzugeben". Sie wünsche "dem Verlag, seinen Autoren und Mitarbeitern alles erdenklich Gute und Herrn Möhrle eine glückliche Hand."

Ressort: Literatur & Vorträge

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