"Zum Glück wurde Cola jetzt endlich für koscher erklärt"
JUZ-INTERVIEW mit Salome Feller, die sich als junge Jüdin in Deutschland so ihre Gedanken über ihre Religion und über ihre Mitmenschen macht.
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Irgendwie ist Salome Feller was Besonderes, ob sie will oder nicht. Die 18-Jährige ist Jüdin. Die einzige in ihrer Gymnasiumsklasse. Für die JuZ sprach Dominic Fritz mit ihr über Juden in Deutschland und Frauen im Judentum.
Salome Feller: Ein paar aus meiner Klasse beleidigen mich öfters und haben mich auch schon blöd angerempelt. Dann stehen die anderen immer nur da als ob nichts wäre. Einmal waren wir mit der Klasse in Dachau, da hat ein Mitschüler gesagt, "die Juden und die Kommunisten gehören alle vergast". Und die Leute aus meiner Klasse? Die taten alle, als hätten sie nichts gehört.
JuZ: Kann das überhaupt gut gehen - als Jüdin im Ex-Nazi-Deutschland zu leben?
Salome: Schon. Es gibt ja auch viele. Auf tausend Bundesbürger kommen immerhin rund achtzig Juden in Deutschland. Und es gibt auch viele Israelis, die nach Deutschland reisen, unter anderem, weil sie davon ausgehen, dass sich die Menschen hier geändert haben.
JuZ: Wird das Judentum in Deutschland nicht hauptsächlich im Zusammenhang mit dem Holocaust gedacht?
Salome: Ich glaube, das wird allmählich besser, einfach, weil viele jüdische Einwanderer aus den GUS-Staaten zu uns kommen. Mit denen hat auch das Leben in den jüdischen Gemeinden einen Aufschwung genommen. Damit entsteht nach und nach auch eine neue kulturelle Identität der Juden in Deutschland.
JuZ: Welche jüdischen Traditionen hältst du für wichtig, welche für veraltet?
Salome: Ich finde die hohen Feiertage wichtig, Jom Kippur, und den Schabbat. Eine Tradition, die ich für veraltet halte? Dass in orthodoxen Gemeinden Frauen nicht Rabbinerin werden können. In Deutschland gibt es nur eine Rabbinerin - Bea Wyler in Oldenburg. Nur, der Zentralrat der Juden, der da Signale setzen müsste, ist konservativ eingestellt.
JuZ: Du selbst willst ja auch Rabbinerin werden. Warum?
Salome: Weil ich es toll finde! Ich war letztes Jahr in einer jüdischen Gemeinde in den USA, da gab es auch eine ganz klasse Rabbinerin, die sich für Menschenrechte eingesetzt hat und richtig gute Gottesdienste gemacht hat. Diese Frau hat mich wirklich beeindruckt. Mir wäre es als Rabbinerin auch wichtig, den Jugendlichen wieder eine spirituelle Heimat zu geben. Außerdem ist man Psychologe, Lehrer und PR-Frau.
JuZ: Vor zwei Jahren traten 355 Personen aus den jüdischen Gemeinden in Deutschland aus, aber nur 77 Leute konvertierten zum Judentum. Gibt es Nachwuchssorgen?
Salome: Wenn man nicht mehr Mitglied in einer Gemeinde ist, heißt das ja nicht, dass man kein Jude mehr ist. Aufzuhören, Jude zu sein, geht eigentlich gar nicht. Viele treten vielleicht auch aus, weil die Gemeinden zu konservativ sind und sie ihre Vorstellungen vom Judentum unabhängig leben wollen.
JuZ: Ein Cheeseburger ist unkoscher, weil Fleisch- und Milchprodukte vermischt werden. Isst du Cheeseburger?
Salome: Ich bin Vegetarierin, damit fällt das Fleisch-Problem weg. Und sonst esse ich koscher. Wenn es aber mal nicht geht, dann muss es auch nicht sein. Zum Glück wurde jetzt nach langer Diskussion auch Cola für koscher erklärt.
JuZ: Samstags, also am Schabbat, ist ja für Jugendliche hier in Deutschland eher Party angesagt. Was machst denn du da?
Salome: Ach, ich kann trotzdem alles machen. Orthodox gesehen sollte man zwar kein Geld anfassen, aber ich halte mich da nicht dran. Und am Samstagabend ist der Schabbat ja wieder vorbei - da kann ich dann auch Parties feiern.
JuZ: Nehmen das die anderen Mitglieder deiner Gemeinde auch so locker?
Salome: Manche kochen am Freitag vor oder so, aber eigentlich halten sich nicht viele daran. Nicht jeder kann sich auch Samstags frei nehmen, dann muss man halt trotz Schabbat arbeiten. Man kann ja schlecht hauptberuflich Jude sein.
JuZ: Themenwechsel zum Schluss - wie berührt dich die Situation in Israel?
Salome: Sehr. Es ist zwar überall schlimm, wenn Krieg ist, aber dort berührt es mich natürlich ganz besonders, weil Israel eine spirituelle Heimat für jeden Juden ist. Um Frieden in Israel zu schaffen gäbe es eine Lösung: Man müsste einen "idealen" Sozialismus einführen, in dem alle Religionen gleichwertig miteinander leben. Wirklich, Judentum und Sozialismus haben viel gemeinsam. Beide erwarten, dass man zum Wohle der Gemeinschaft handelt.
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