Zischup-Interview über Multikulti-Klasse
"Zehn Nationen, eine Klasse"
Lehrer Ralf Rombach und Bundesfreiwilligendienstler Leonhard Berisha über eine ganz besondere Klasse an den Gewerblichen und Hauswirtschaftlich-Sozialpflegerischen Schulen Emmendingen, kurz GHSE. Zischup-Reporter Luca Kahl, ebenfalls GHSE-Schüler, hat nachgefragt.
Luca Kahl, Klasse SG 9 B & GHSE
Mo, 9. Mär 2015, 12:38 Uhr
Schülertexte
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Zischup: Ist bestimmt nicht einfach, alle zusammen zu unterrichten.
Berisha: Stimmt. Manche Schüler haben noch nie eine Schule besucht, können also weder lesen noch schreiben. Andere dagegen hätten in ihrem Heimatland zur Uni gehen können. Es erfordert viel Geduld von den Lehrern, aber auch von den Schülern. Die Schüler akzeptieren sich gegenseitig, weil sie auch vieles gemeinsam haben. Wenn einer etwas nicht versteht oder Probleme hat, helfen andere.
Rombach: Die große Herausforderung ist es, dass alle etwas vom Unterricht haben und dass sich keiner langweilt oder überfordert fühlt. Wenn man sich das mal vorstellt – sowohl mit Leuten in einer Klasse zu sitzen, die gerade das ABC lernen, als auch mit Leuten, die schon wissen, wie man in ihrer Sprache Aufsätze schreibt und die Dostojewski oder Shakespeare lesen, dann ist das schon ein großer Unterschied.
Zischup: Verstehen sich die Schüler untereinander oder gibt es auch Rivalitäten?
Berisha: Nein, die gibt es nicht. Zumindest nichts, was wir mitbekommen hätten. Hier spielt es keine Rolle, woher man kommt oder welche Hautfarbe man hat. Jeder kann mit jedem arbeiten, alle sind motiviert und engagiert. Auch in der Pause stehen die Schüler meistens als Klasse zusammen auf dem Hof.
Zischup: Und wie verhalten sich die Schüler den Lehrern gegenüber?
Berisha: Sehr höflich und oft zu Scherzen aufgelegt. Es kommt sogar ab und zu vor, dass man zur Begrüßung oder zum Abschied eine Hand hingestreckt bekommt oder die Schüler fragen, wie es einem gehe oder was man am Wochenende unternommen habe.
Zischup: Wie gestalten sich der Unterricht? Und was lernen die Schüler?
Rombach: Der Unterricht ist schon anders aufgebaut, als das, was man sonst aus Schulen kennt. Im Fach Deutsch ist es beispielsweise wichtig, die Melodie der Sprache zu lernen, um sie richtig sprechen zu können.
Berisha: Aber wir gehen auch mit unseren Schülern spazieren, zeigen ihnen wichtige Orte in der Stadt oder bringen ihnen die deutschen Wörter der Körperteile bei, damit sie, wenn sie Schmerzen haben, auch sagen können, wo genau der Schmerz sitzt.
Zischup: Machen die Schüler schnell Fortschritte?
Rombach: Sie ziehen gut mit, manchmal gibt es kleine Rückschritte, aber im Allgemeinen geht es nach vorne. Alle sind motiviert, zu lernen und erkennen die Chance. Außerdem sind sie sehr ehrgeizig.
Zischup: Die Schüler sind Flüchtlinge. Aus welchen Gründen sind sie nach Deutschland gekommen?
Berisha: Sie kommen, weil sie überleben wollen. Manche wurden schwer misshandelt, haben Militärdienst verweigert oder mussten aus religiösen Gründen fliehen. Gewalt war ein ständiger Begleiter, alles wurde erzwungen.
Zischup: Wirken sich die traumatischen Erlebnisse auch auf den Unterricht aus?
Berisha: Normalerweise nicht. Und wenn es doch mal passiert, gehen sie kurz alleine raus oder reden mit einem Lehrer darüber. Viele nehmen auch Medikamente und haben eine lange Reise hinter sich. So etwas geht nicht spurlos an einem vorüber. Trotzdem können sie lachen und Witze machen. Sie sind offen und reden auch untereinander über Probleme. Sie sind dankbar dafür, dass sie hier sein können. Hier werden sie gefordert und gleichzeitig fühlen sie sich auch aufgehoben.
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