"Wir schätzen den Vorteil, in einer Industrienation geboren zu sein"
WAS TUN IM AUSLAND (TEIL 9): Zwei junge Freiburgerinnen waren als Praktikantinnen beim Baobab Trust in Kenia – und lernten viel, zum Beispiel über "gamefarming".
Franziska Harich & Ina Ruppender
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Etwas verloren stehen wir vor einer Menschenmenge aus geschäftstüchtigen Taxifahrern und den Empfangskomitees verschiedener Hotels, die eifrig mit ihren "Karibu Kenya"-Schildern winken. Auf dem Rücksitz eines der reparaturbedürftigen Autos tauchen wir ein in eine für uns vollkommen neue Welt. Afrikanische Frauen in bunten Tüchern, magere Ziegen am Straßenrand, schwitzende Männer mit Holzkarren, farbenfroh bemalte Kleinbusse, zahlreiche Verkaufsstände und hoch aufragende Müllberge: Kenia empfängt uns laut, bunt und mit der ganzen Bandbreite seiner exotischen Düfte.
Drei Monate als Praktikantinnen bei der Organisation "Baobab Trust" liegen vor uns, drei Monate, in denen wir dieses aufregende Land und seine Leute näher kennen lernen dürfen. Der Baobab, auf Deutsch: "Affenbrotbaum", ist vor allem in der Küstenregion Kenias weit verbreitet. Dort hat auch "The Baobab Trust" seinen Standort, eine Umweltorganisation, die nach neuen Wegen für ein friedliches Miteinander von Ökologie und Ökonomie sucht. Eine zentrale Rolle nimmt dabei die nachhaltige Landwirtschaft ein.
In der "Schamba", der Farm, auf der wir eingesetzt sind, werden neben dem Anbau von Obst und Gemüse neue Ideen und Konzepte verwirklicht. Um diese möglichst vielen Menschen nahe zu bringen, arbeitet die Organisation mit den örtlichen Gemeinden zusammen und bietet auch Vorträge und Seminare an. Ein weiteres Projekt ist das "Nguuni Nature Sanctuary", ein Naturpark von einem Quadratkilometer Größe. Hier wird so genanntes "gamefarming" betrieben, worunter das Domestizieren von Wildtieren zum wirtschaftlichen Nutzen des Menschen zu verstehen ist. Die Wildtiere, mit denen hier gearbeitet wird, sind Elenen- und Oryxantilopen, Wasserböcke, Dromedare, Giraffen und Strauße. In Zeiten des zunehmenden Bevölkerungswachstums schwindet der Lebensraum der Wildtiere – da nimmt das Sanctuary eine Vorbildfunktion ein: Es zeigt, wie Menschen und Tiere in gegenseitigem Nutzen überleben können.
Unsere gemeinsame Aufgabe im Sanctuary ist es, etwas über das Schlüpfverhalten von Wasserschildkröten herauszufinden. Abgesehen davon, haben wir auch eigene Aufgaben in anderen Bereichen. Bei der einen ist es das Training der Kamele und die Identifikation von Wasserböcken, bei der anderen die Erstellung einer Vogelliste und das Ziehen der Artemisia annua anamed, einer Heilpflanze, die gegen Malaria eingesetzt wird.
Nebenbei kochen wir täglich literweise Wasser ab, cremen uns mit Sonnen- und Moskitoschutz ein und leben unseren ganz besonderen Alltag am Indischen Ozean. Und doch geraten wir immer wieder in ungewohnte Situationen. "Musungu, give me ten shilling!" ruft ein kleiner Junge hinter uns her. Wie sollen wir reagieren? Zehn kenianische Schillinge sind nicht viel, umgerechnet zehn Cent. Doch können wir nicht jedem etwas geben und wurden mehrfach darauf hingewiesen, dass man die Menschen damit zum Betteln "erzieht". Dennoch: die uns umgebende Armut führt uns Tag für Tag die eigene Hilflosigkeit vor Augen.
Nicht nur in der Stadt, auch auf dem Land sind die Lebensbedingungen bescheiden. Nahe dem Arabu Sokoke Wald bei Kilifi können wir eine Familie vom Stamme der Mijicenda besuchen. Die Menschen dort leben in Lehmhütten, gekocht wird auf dem offenen Feuer, und gegessen wird das, was man selbst angebaut hat. Trotz der einfachen Lebensweise begegnet man keiner Unzufriedenheit, im Gegenteil: Wir werden fröhlich und gastfreundlich empfangen. Und dennoch schätzen wir immer mehr den Vorteil, in einer Industrienation geboren zu sein.
Kenia wurde 1963 unabhängig und hatte mit Jomo Kenyatta ihren ersten Präsidenten. Aber erst knappe 30 Jahre später begann die Demokratie hier tatsächlich, konkretere Formen anzunehmen. Heute gibt sich die Innenstadt Nairobis hochmodern, auch wenn sie nicht über die Armut ringsherum hinwegtäuschen kann. Diese Millionenstadt ist kaum älter als 100 Jahre. Mombasa ist älter und hat sich etwas von seiner Ursprünglichkeit bewahrt. Besonders schön ist die arabisch geprägte Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen und den verzierten Häusern.
Auf der Hauptstraße tummeln sich die Kleinbusse, "Matatus" genannt, die als öffentliche Verkehrsmittel dienen, die wir schon bald ganz selbstverständlich benutzen – wie uns vieles andere auch schnell selbstverständlich ist. Und doch stehen wir drei Monate nach unserer Ankunft eines Tages bei 33 Grad wieder am Flughafen und verlassen diese gar nicht mehr so fremde Welt, in der die Zeit für uns so verblüffend schnell verging.
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