Zischup-Interview
"Wir konnten niemandem trauen"
Die Eltern von Elisabeth Elsässer lebten nahe der französischen Grenze, als der Zweite Weltkrieg 1939 begann. Während des Krieges floh ihre Familie in den Schwarzwald. Ein Interview von Sara Elsässer aus der Klasse 8b des Kreisgymnasiums Bad Krozingen.
Sara Elsässer, Klasse 8b, Kreisgymmnasium & Bad Krozingen
Di, 30. Mai 2017, 0:00 Uhr
Schülertexte
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Zischup: Was wusstest du damals über die Konzentrationslager?
Elsässer: Man hat nichts gewusst, überhaupt nichts. Es war nur immer so seltsam, als die Behinderten aus dem Dorf plötzlich verschwunden sind. Sie wurden immer fortgebracht, keiner wusste wohin. Und später haben die Angehörigen einen Brief bekommen, dass ihr Kind an einer Lungenentzündung verstorben sei. Dabei sind sie doch alle umgebracht worden und niemand hat es gewusst. Man hat diesen Briefen geglaubt, man konnte ja niemanden fragen. Die Älteren haben so einiges vermutet, aber niemand hat sich getraut, es auszusprechen. Alle hatten Angst vor dem Feind, der mithört. Erst viel zu spät ist das alles ans Licht gekommen.
Zischup: Wie hat sich dein Alltag allgemein verändert?
Elsässer: Im Kino in der Stadt kamen fast nur Propagandafilme. Sie waren nur auf das Beste ausgerichtet, als wenn die ganze Welt in Ordnung gewesen wäre. Von diesen Lagern haben wir alle rein gar nichts gewusst. Während des Krieges hatte man auch fast nichts mehr zu essen. Als er immer schlimmer wurde, bin ich als kleines Mädchen mit meiner Familie in die Berge geflohen. Denn wir haben an der Grenze zu Frankreich gelebt. Von dort kamen andauernd Bomben, die alles zerstört haben.
Zischup: Hat euer Haus noch gestanden, als ihr wieder heimgekehrt seid?
Elsässer: Nein, es war leider komplett eingefallen, da eine Fliegerbombe hineingefallen ist. Es hat Jahre gedauert, bis wir es komplett repariert hatten.
Zischup: Wie funktionierte die Nahrungsmittelversorgung nach dem Krieg?
Elsässer: Im Krieg und danach gab es sogenannten Lebensmittelkarten. Die hat man auf dem Rathaus bekommen. Wenn die dann verbraucht waren, hat man nichts mehr an Essen gehabt. Aber zum Glück bin ich ja auf der Landwirtschaft aufgewachsen. Dort konnten wir schlachten, hatten Mehl und mehr. Wir haben uns selbst versorgt. Aber in der Stadt war das wieder anders, viel schlimmer und schwieriger. Deshalb sind viele aus der Stadt morgens mit dem Zug gekommen und wollten gegen andere Kostbarkeiten etwas zu essen. Obwohl wir auch nur wenig hatten, haben wir geteilt, ohne dafür etwas zu verlangen. Einmal wollte ich mir ein paar Schuhe kaufen, aber nicht gegen Geld. Nein, ich musste Essen mitnehmen, Speck und Eier. Erst dann habe ich die Schuhe bekommen.
Es war eine ganz schlimme Hungersnot. Außerdem musste jeder am Abend das Haus verdunkeln, damit man nicht von den Kampfflugzeugen gesehen wurde.
Zischup: Hattest du oft Angst um dein Leben?
Elsässer: Ständig. Als diese Flieger gekommen sind, es war schrecklich. Sie sind immer ganz tief übers Feld geflogen. Wer sich nicht rechtzeitig geduckt hat, war tot. Wir hatten einen Luftschutzkeller, indem auch Nachbarn untergekommen sind.
Sie sind oft gar nicht mehr hochgekommen, da sie so Angst um ihr Leben hatten.
Zischup: In welches Licht wurde damals das Stauffenberg-Attentat gerückt?
Elsässer: Es wurde gesagt, wie schlimm es gewesen wäre. Was hätte man auch sonst sagen können, denn es herrschte ja absolutes Redeverbot gegen Hitler. Man hat allgemein nur die guten Nachrichten zu hören bekommen und nicht, wie schlimm der Krieg war. Wer hätte denn auch etwas anderes sagen können? Unterschiedliche Meinungen wurden ja nicht geduldet.
Zischup: Wieso waren deiner Meinung nach so viele Anhänger von Hitler?
Elsässer: Es gab so schrecklich viele Arbeitslose. Hitler hat immer große und hoffnungsvolle Reden geschwungen, und plötzlich waren die Arbeitslosen dann seine Anhänger. Denn er hat ihnen Arbeit gegeben und ihnen alles mögliche versprochen. Viele haben ihm das zum Teil geglaubt. Als dann im Krieg alles immer brutaler wurde, musste man ja für Hitlers Politik sein, weil man ja Angst vor dem heranrückenden Feind bekam.
Zum Glück ist das ja heute nicht mehr so und ich wünsche keinem, dass er so etwas miterleben muss.
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