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Wie von Geisterhand

  • Fr, 31. Oktober 2003
    Zisch

     

Im Freiburger Stadtteil Weingarten spuken echte Gespenster herum - zumindest noch bis Halloween.

Ein gespenstischer Seeräuber fliegt durch die Nacht, zwischen seinen Zähnen blinkt ein riesiges Messer. Mit lautem Poltern und einem grellen Schrei wechselt er blitzschnell die Richtung und verschwindet in der Dunkelheit. Doch halt: Bei genauem Hinsehen erkennt man, dass er irgendwo in der Finsternis hockt und sich eine Flugpause gönnt.

Der gruselige Pirat heißt Jakob. Ohne Maske sieht er richtig freundlich aus. Wenn er durch die Lüfte segelt, hängt er an Seil und Haken. Wie ein Kletterer wird er dabei von Elmar Weber gesichert. Das ist einer der Erwachsenen, die mithelfen, den Spieleturm des Kinder- und Jugendtreffs im Freiburger Stadtteil Weingarten in eine Geister-bahn zu verwandeln. Weil Geister schweben und durch die Luft sausen können, darf man Seil und Haken nicht erkennen. Dafür muss es stockdunkel sein. Die Mädchen und Jungen haben alle Räume mit schwarzen Tüchern in eine tiefdunkle Höhle verwandelt. Man erkennt kaum die eigene Hand vor den Augen, schon gar nicht Seil und Haken. Die aufgestellten Schwarzlichtlampen bringen nur Weißes zum Leuchten.

Kevin verhüllt seinen Kopf mit einem schwarzen Umhang, mit dem Schädel einer Puppe unter dem Arm erschreckt er als Kopfloser aus einem dunklen Gang heraus die Besucher der Geisterbahn. Wärter Peter führt das Publikum mit selbst gebauter Hellebarde an herumliegenden Körperteilen vorbei von einer Gruselstätte zur nächsten. Schaurig ist es, wenn ein mit Ketten gesichertes Tor knarrt, der Vampir Francesco den Sargdeckel hebt, über einer Grabstätte sich ein Skelett wie von Geister- hand bewegt. Wenn einen dann von hinten noch eine Geisterhand kratzt, kriecht die Gänsehaut über die Schulter. Viel gruseliger und unheimlicher als in den Geisterbahnen der Vergnügungsparks ist es, von den echten Gespenstern erschreckt zu werden.

Zum vierten Mal haben die Weingartener Kinder und Jugendlichen ihr Gruselkabinett aufgebaut. Sie verteilten im Vorfeld bereits Eintrittskarten, damit das Gedränge nicht zu groß wird. Woher wissen sie so gut, wie man andere das Fürchten lehrt? Sie haben den Friedhof besucht und verschiedene Gräber angeguckt, denn Geister sind nichts anderes als Spukgestalten, in denen Tote wieder erscheinen. Die Jungen behaupten von sich, dass sie sich vor rein gar nichts fürchten. Höchstens vor dem großen Bruder, der manchmal ausrastet. Als sie in der Erde eines frisch ausgehobenen Grabes Knochenreste entdeckten, war ihnen allen aber doch seltsam zumute.

Die Mädchen trauten sich sogar nachts auf den Friedhof. Wovor fürchten sie sich am meisten? Davor, dass die Jungen sagen, ihr Auftritt sei nicht gruselig. Unnötig, denn der Besuch in der Geisterbahn endet in einem Theater der Dunkelheit. Bei Blitz- und Donnergeräusch werden schlafende Geister geweckt. Mit gespenstischen Bewegungen wird der Regen nachgeahmt und das Rütteln des Windes an den Bäumen. Dann klingt es laut: "Wir sind die Geister - io sono mostro." (Das ist italienisch und heißt: ich bin ein Ungeheuer.) Eine andere Gruppe poltert im Rhythmus eines Rap die Holztreppe rauf und runter und ruft auf Deutsch und "Zi- geunisch" in die Nacht hinaus: "Geister raus, Lichter aus! - Mulo vin lichter jala ving!" Es sind italienische, arabische, irakische, zigeunische und deutsche Mädchen, die nicht nur Geister tanzen lassen, sondern auch dafür sorgen, dass es in der Vampirküche zischt und brodelt und Gruseltiere aus Gelee die Besucher zittern lassen. Die Mädchen haben genau so viel Spaß wie die Jungen, andere zu erschrecken und die verängstigten Besucher zu sehen. Aber bestimmt finden die Weingartener Geister, Gespenster, Kopflosen, Vampire und Wächter nach Halloween den Weg wieder zurück in die ganz normale Welt der Menschen.

Helga Lorenz

Ressort: Zisch

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