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Laute Tiere

Wie viel Kikeriki ist zumutbar?

LAUTE TIERE (I): In einem Dorf in Brandenburg wird darüber gestritten, wie laut die Hähne des Nachbarn krähen dürfen – selbst dem Richter ist das nun zu bunt.  

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Der Hahn gilt weltweit als unerbittlicher und vor allem lauter Frühaufsteher. Foto: colourbox

BRANDENBURG/HAVEL. Das Krähen eines Hahns ist Alltag auf dem Land. Oder nicht? Seit Jahren streiten sich zwei Nachbarn im Dörfchen Zitz in Brandenburg darum, wie laut das Krähen der Hähne des einen sein darf. Die Klägerseite stört sich an den Hahnenschreien und will erreichen, dass die Tiere eine bestimmte Lautstärke nicht überschreiten. Einem Richter des Amtsgerichts Brandenburg/Havel reicht es jetzt – er schickt beide Parteien an den Verhandlungstisch.

Mittlerweile kommunizieren die Streithähne nur noch über ihre Anwälte, der Nachbar des Hobby-Geflügelzüchters klagte nun gar, weil er gesundheitliche Schäden wegen des Geschreis fürchtet. "Das Gesetz erlaubt eine Güteverhandlung. Die hier getroffenen Kompromisse sind tragfähiger, als wenn ein Gericht entscheidet", sagt Richter Torsten Bönig am Montag. Nur so lasse sich der Dorffrieden in Zitz wiederherstellen. Alles andere dauere. Denn: In einem Gerichtsverfahren müsse Grundsätzliches geklärt werden, gibt Bönig zu bedenken. "Ist Krähen auf einem Dorf zu dulden? Wenn ja, was ist ortsüblich? Wie oft dürfen Hähne überhaupt krähen?" Zudem könne ein Präzedenzfall geschaffen werden, der ungeahnte Folgen nach sich zöge. Außerdem gehe erfahrungsgemäß nach einem Urteil mindestens eine Partei gegen die Entscheidung juristisch vor.

Nur zähneknirschend willigt Kläger Hans-Wilhelm Geue ein. Sein Anwalt pocht vor Gericht darauf, dass über die Zahl der gehaltenen Hähne, über einen Zeitplan, wann und wie viele Hähne gleichzeitig krähen dürfen, sowie über Schallschutzmaßnahmen gesprochen werden müsse.

Geflügelzüchter Reno Nerling sagt hingegen, dass er schon immer kompromissbereit gewesen sei. "Herr Geue hat nur nie mit mir gesprochen. Er hat sofort die juristische Keule ausgepackt", sagt der 36-Jährige. "Er will, dass meine Hühner nicht lauter als 55 Dezibel sind. Da ist jedes Auto, das auf dem Kopfsteinpflaster an seinem Haus vorbeifährt, lauter."

Um die Lage zu entschärfen, habe er in der Zwischenzeit die Hähne gegen eine Rasse eingetauscht, die leiser krähe. "Ich habe für 200 Euro einen Sichtschutz und eine automatische Klappenanlage für den Stall gekauft und eingebaut. Außerdem ist alles WLAN-Kamera-videoüberwacht. Das sind doch gute Argumente", sagt der 36-Jährige.

Hühner gibt es auf dem Hof, der Nerlings Eltern gehört und auf dem er selbst nicht lebt, schon seit Jahrzehnten. Die Stallanlage hat er von seinem Großvater übernommen. Der Streit sei erst ausgebrochen, als die klagende Familie nach der Wende ins Dorf gezogen sei und sich vom Krähen gestört gefühlt habe.

Der Prozess nahm mitunter kuriose Züge an. Laut einem Gerichtsbeschluss vom Prozessauftakt am 9. Mai sollte der Züchter belegen, dass das Krähen der Hähne ortsüblich ist. Der Kläger sollte hingegen nachweisen, wie viele Tiere sich in den Monaten zuvor zu bestimmten Zeiten auf dem Gelände frei aufgehalten haben. Das Gericht ging zunächst nach "vorläufiger Rechtsauffassung" davon aus, dass vom Hof des Züchters zumindest zeitweise eine wesentliche Beeinträchtigung des gegenüberliegenden Grundstücks des Klägers ausging. Nach Angaben des örtlichen Geflügelzüchtervereins gibt es in dem 300-Seelen-Dorf mehr als 140 Hähne.

Die Lokalpolitik hatte sich auf Nerlings Seite geschlagen. "Für mich ist die Klage unerklärlich", sagt der Ortsvorsteher von Zitz, Silvio Mehlhaase zum Prozessbeginn. In einem Dorf, in dem fast jeder Tiere halte, werde auch gegackert. Deshalb habe die Gemeinde nun einstimmig beschlossen, die Nutztierhaltung in der Gemeindesatzung als ortsüblich festzuschreiben. "Jeder will Bio-Eier aus Freilandhaltung, dann müssen die Hühner auch aus den Ställen raus." Der Gütetermin soll für November angesetzt werden. Scheitert er, geht der Fall zurück an das Gericht.

Ressort: Panorama

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