Ganz weit oben

Die Schwarzwald-WG

In Freiburg zu wohnen ist teuer – die Bewohner einer WG haben sich bewusst für ein Leben im Hochschwarzwald entschieden. Das Pendeln nach Freiburg ist für sie kein Problem.  

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Mahmoud, Felix, Marcus und Katrin am Tisch in ihrer WG-Küche. Foto: Andreas Braun

In der Nähe der Uni zu leben, das ist vielen Studierenden wichtig. Drei Freiburger hingegen haben sich bewusst für ein Leben im Hochschwarzwald entschieden, rund 30 Kilometer von der Uni entfernt. Jetzt lebt auch ein syrischer Geflüchteter bei ihnen. Unser Autor war auf WG-Besuch in ihrem idyllischen, abgelegenen Häuschen nahe Hinterzarten.

Eines wird auf der Fahrt nach Alpersbach schnell klar: Ohne Auto ist man hier oben auf fast 1000 Metern Höhe aufgeschmissen. In den kleinen Teilort von Hinterzarten fährt schon lange kein Bus mehr. Der nächste Bahnhof ist fast fünf Kilometer entfernt, zu Fuß braucht man rund eine Stunde, mit dem Auto zumindest 10 Minuten. Als Urlauber würde man kaum vermuten, dass hier zwischen Ferienhäusern und Bauernhöfen vier junge Leute in einem kleinen, mit Schindeln bedeckten Häuschen zusammen in einer WG leben – und ihren Lebensmittelpunkt in Freiburg haben, 30 Kilometer entfernt.

Die Luft ist frisch und sauber, nur selten kommt ein Auto an der hinter dem Haus gelegenen Straße vorbei. Ab und zu kräht sogar ein Hahn. Alles erinnert ein wenig an lange zurückliegende Ferien auf dem Bauernhof – und klingt nach einem ziemlich ungeeigneten Ort, um eine WG zu gründen. Dennoch wohnen Katrin, Marcus, Felix und Hund Janosch seit 2015 hier. Vor kurzer Zeit ist auch ihr neuer Mitbewohner Mahmoud eingezogen. Während Katrin und Felix studieren, arbeitet Marcus bereits in Freiburg und Mahmoud, seit wenigen Monaten in Südbaden, hat hier in der WG ein neues Zuhause in Deutschland gefunden. Er pendelt ebenfalls zu seinem Deutschkurs nach Freiburg.

So unterschiedlich die vier auch sein mögen, sie leben alle gerne hier. Etwas abgelegener, dafür aber vollkommen ungestört und umgeben von Natur. "Hier juckt es keinen, wenn wir mal eine Party im Freien im eigenen Wald machen", sagt Katrin. "Denn hier wohnt einfach niemand direkt nebenan. Wo es keine Nachbarn gibt, können einem auch keine Vorschriften von ihnen gemacht werden." Dass sie so frei leben können, verdanken die vier auch ihrem Vermieter, der nur wenige Meter entfernt in einem Schwarzwaldhof wohnt, ihnen Feuerholz gibt, und zu dem sie ein freundschaftliches Verhältnis haben.

In ihrem gemütlichen Häuschen hat die WG erstaunlich viel Platz: Rund 130 Quadratmeter Wohnfläche, aufgeteilt auf fünf Schlafzimmer, eine Küche – Wohnzimmer und Bad bewohnen sie insgesamt. Während in Freiburg ein Vermögen für die Miete eines solchen Hauses bezahlt werden muss, bewegen sich die Kosten hier im Hochschwarzwald mit 280 Euro Warmmiete pro Kopf auf demselben Niveau wie so manches Studierendenwohnheim. Die Küche im Erdgeschoss ist der gemeinsame Treffpunkt und der wärmste Raum in der WG; im Dachgeschoss ist es auch jetzt noch eher frisch.

Für die vier Bewohner steht fest, dass ihre WG zwar an einem ungewöhnlichen, aber dafür einmalig schönen Ort liegt. "Die Entfernung allein nach Freiburg ist eigentlich kein Problem", sagt Felix. Um zum Einkaufen nach Titisee oder zum Bahnhof zu kommen, nutzen die vier zwei Autos. Stehen unterschiedliche Termine an, wird – ganz altmodisch – getrampt. Dank netter Dorfnachbarn, bei denen "die Studenten", wie sie in Alpersbach genannt werden, wohl bekannt sind, kommt Felix per Anhalter eigentlich immer bis nach Hinterzarten. "Das Fahrrad habe ich auch schon mal genommen, um nach Hinterzarten zu fahren, aber den Berg zurück hinauf habe ich das echt bereut", sagt Marcus. "Besonders ratsam ist es nicht, mit einer etwas kaputten Gangschaltung den doch schon ziemlich steilen Weg hier hoch zu fahren."

Selbst Ende Februar finden sich hier im Hochschwarzwald noch Schneereste, und die aufgetürmten Schneehaufen lassen trotz des sonnigen Vorfrühlingswetters erahnen, dass man hier oft weiße Weihnachten feiern kann. Doch auch im Winter kommen die vier erstaunlich schnell zur Uni oder in die Stadt und nutzen dafür das Auto oder im äußersten Notfall auch schon mal die Langlaufskier. "Das war eine einmalige Aktion, und das würde ich auch eigentlich nicht mehr machen", sagt Felix. "Ich habe auf dem Weg zum Bahnhof gemerkt, dass sich die Straße nicht so wirklich eignet, um mit Skiern darauf zu fahren."

Bis auf die Hin- und Rückfahrt zur Uni unterscheidet sich der Tagesablauf in der WG eigentlich nicht von dem anderer Studierender, findet Felix. "Wenn ich morgens um kurz nach 8 in der Uni sein muss, stehe ich um halb sieben auf. Dann nehmen mich entweder meine Mitbewohner mit, oder ich stelle mich einfach an die Straße und warte darauf, dass ein Nachbar zur Arbeit fährt und mich ein Stück mitnimmt." Rund eine halbe Stunde dauert die Fahrt mit der Höllentalbahn von Hinterzarten nach Freiburg, nicht viel länger, als wenn man in der Rheinebene wohnt und auf den Zug angewiesen ist.

Obwohl nicht jedes Handynetz auf rund 1000  Meter reicht und sich Freunde, die in Freiburg leben, doch lieber zweimal überlegen, ob sie zu Besuch kommen sollen, haben die vier hier oben jede Menge Spaß. Egal ob draußen unterwegs, an regnerischen Tagen mit Brettspielen oder sonntagabends mit der eigenen Filmleinwand beim Tatort schauen. "Vor allem kurz vor der Klausurenphase kommen unsere Freunde gerne in unser Haus, um gemeinsam zu lernen," sagt Katrin. So ruhig wie hier ist es eben auch nicht in der UB.

Für eine WG besonders außergewöhnlich ist der Ausblick, der sich vom Balkon im 1. Stock des Hauses bietet. Von hier aus, so scheint es, kann man fast den halben Südschwarzwald überblicken. Über das Höllental hinüber in Richtung Breitnau reicht der Blick. Von Freiburg oder dem Verkehrslärm der B31 keine Spur.

So viel Freiheit und Abgeschiedenheit schweißt auch zusammen. Während sich Felix, Katrin und Marcus ganz bewusst für ein Leben außerhalb der Großstadt entschieden haben, war Mahmoud nach langer Wohnungssuche in Freiburg froh, eine preiswerte Unterkunft gefunden zu haben.

Vor wenigen Monaten kam der ehemalige Student nach Freiburg, nachdem er aus Syrien geflohen war. Wenn er genug Deutschkenntnisse hat, will auch er wieder studieren. Ganz nebenbei helfen ihm seine Mitbewohner auch bei der Integration und beim Deutschlernen. Mahmoud, der sich nicht hätte träumen lassen, eines Tages im Hochschwarzwald zu leben, möchte trotz der Abgeschiedenheit des Häuschens in Alpersbach wohnen bleiben: "Weil die Freunde im Haus so nett sind."

Ein Video vom WG-Besuch gibt’s auf http://fudr.fr/ganzweitdraussen
Schlagworte: Hund Janosch
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