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"Wer weiß schon wie José Barroso aussieht?"

Auf Einladung der EU-Kommission waren 20 junge Journalisten nach Brüssel eingeladen, um "Journalisten-Luft" zu schnuppern und Abstraktes konkret zu verstehen .  

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Samstag, 20.15 Uhr: Bevor "Wetten, dass . . .?" beginnt, erklingt Beethovens "Ode an die Freude". Diese Melodie kennt jeder, aber warum wir sie hören, wissen die wenigsten: Es ist die Hymne Europas. Ähnlich mager ist bei vielen das Wissen um Brüssel als "Hauptstadt Europas". In unserer Vorstellung ist Brüssel kaum mehr als ein riesiges Verwaltungszentrum, das beständig unsinnige, ärgerliche oder unverständliche Verordnungen erlässt. Brüssel hat nicht das Renomee von Paris oder London, keinen Ruf – nicht einmal einen schlechten.

Und ausgerechnet nach Brüssel hatte die "Jugendpresse" eingeladen, eine Organisation für junge Nachwuchsjournalisten – unterstützt wurde die Pressereise auch von der EU. "Was macht die EU eigentlich grundsätzlich für Jugendliche?", fragt sich 20-jährige Eva Backes. Die EU ist für sie bisher ein abstrakter Begriff. Eva hat vergangenes Jahr ihr Abitur gemacht und will auf dieser Reise erfahren, was sich hinter dem abstrakten Begriff verbirgt. Die journalistische Erfahrung der teilnehmenden 20 Jugendlichen ist höchst unterschiedlich. Die einen schreiben für ihre Schülerzeitung, andere sind freie Mitarbeiter in ihrer Lokalredaktion im Heimatort oder sie arbeiten als Praktikanten in einem Zeitungsverlag.

Die Fahrt ähnelt ein bisschen einer Klassenfahrt. Es gibt Vorträge, gehalten von Abteilungsleitern, deren Abteilungen so klangvolle Namen haben wie "Koordinierung horizontaler Fragen des Rechnungsabschlusses". Ein Vortrag jagt den nächsten. Aufgaben, Arbeit und Politik der EU sind nur einige der Themenfelder, die erarbeitet werden. Die Jugendpresse bietet ähnliche Reisen und Workshops mehrfach im Jahr an. "Wir wollen den Jugendlichen einfach die Chance geben, journalistische Luft zu schnuppern," sagt Björn Richter, Chef der Jugendpresse in Berlin. Auf der Brüssel-Fahrt ist das zum Beispiel die Teilnahme am mittäglichen "Presse Briefing", das in Brüssel täglich abgehalten wird. Das ist ein Treffen, bei dem die Journalisten das Neueste aus der Kommission erfahren sollen. Die Stimmung ist entspannt. Ein paar Journalisten duzen die Pressesprecher sogar. Es wird gelacht. Eine ungewohnte Arbeitsatmosphäre, die wenig mit dem zu tun hat, was man am Abend in der Tagesschau zu sehen bekommt.

Aber bei aller Entspanntheit vor Ort: die Arbeit bleibt auch in Brüssel nicht liegen. Im Zusammenhang mit der Bundestagswahl in Deutschland hat die holländische EU-Kommissarin in einem Interview davon gesprochen, dass eine Kanzlerin Angelika Merkel "großartig für ganz Europa sei." Ein gefundenes Fressen für die Journalistenschar, sind doch die Kommissare eigentlich zu politischer Neutralität verpflichtet. Gefragt wird folglich, ob die Niederländerin das Interview als Kommissarin, als holländische Politikerin oder einfach als Privatperson gegeben hat? Knifflige Frage. Die beiden Pressesprecher winden sich unter dem Druck der Journalisten. Eine befriedigende Antwort können sie nicht geben. "Hier merkt man, dass Pressearbeit auch bedeuten kann, nicht nur über andere zu schreiben, sondern sie auch zu verteidigen", stellt der 18-jährige André Feldhof aus Laer fest. Und dabei kommt es auf jedes Wort an. Sonst hat die Zeitung mit den vier Buchstaben ganz schnell ihren Aufmacher für den nächsten Tag. So aber bleibt das Interview nur eine Randnotiz in den Zeitungen. "Das wirklich Interessante", erklärt der Brüssel-Korrespondent der Süddeutschen-Zeitung, Alexander Hagelüken, "erfährt man viel eher bei einem Abendessen mit den richtigen Personen als bei den formalen Pressekonferenzen."

Es ist interessant zu beobachten, zu was für einem Arbeitspensum man in der Lage ist, wenn es nicht Schul-Arbeit ist. Wäre man mit seiner Klasse unterwegs, hätte man spätestens nach dem zweiten Vortrag abgeschaltet. Auf der Pressefahrt bleiben alle Jugendlichen bei der Sache.

Noch interessanter ist, wie Deutschland von Außen betrachtet wird. Auch in der EU-Kommission scheint man gelegentlich den Kopf über die Probleme der Deutschen zu schütteln. Da wäre zum Beispiel der Skandal um die Schleichwerbung. In verschiedenen Fernsehserien waren gewisse Produkte so offensichtlich ins Bild gerückt worden, dass an einen Zufall niemand so recht glauben mochte. Dass aber ein James Bond schon seit Jahrzehnten meist mit seinem Aston Martin auf Verbrecherjagd geht, stört keinen. Unverständlich für Martin Selmayer, den Pressesprecher der Luxemburger Kommunikations-Kommissarin Vivianne Reding. Hier ist es dann Aufgabe der EU, einzugreifen. Es geht ja schließlich auch um europäische Werbegelder, so Selmayer. Er berichtet von seiner Arbeit und gibt den angehenden Journalisten Tipps: "Besonders wichtig ist es, möglichst nah, an den handelnden Personen dran zu sein!"

Nach dem Scheitern der EU-Verfassung hat in Brüssel ein wenig Ratlosigkeit über die Lösung der Probleme eingesetzt. Jetzt geht es vor allem darum, Gerechtigkeit und internationalen Einfluss zu erhalten und wo nötig zu erreichen. Dafür müsste die Kommunikation mit den EU-Bürgern gut funktionieren. Dass sie es nicht immer tut, bringt ein EU-Beamter auf den Punkt: "George Bush erkennen junge Leute sofort, aber wer weiß schon wie José Manuel Barroso aussieht?"

http://www.jugendpresse.de

Ressort: Zisch

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