Wenn Buchstaben plötzlich verschwinden
Eine Kurzgeschichte über den Verlust des Lesen-Könnens.
Pauline Leiendecker, Klasse 9c, Grimmelshausen-Gymnasium (Offenburg)
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Aus einem unerklärlichen Grund hatte kurz vor dem Tod ihrer Großmutter – von jetzt auf nachher – keiner mehr lesen können. Nur sie und ihre Großmutter waren als einzige noch im Stande aus Buchstaben Wörter werden zu lassen. Doch kein Mensch schien ein Problem damit zu haben. Denn schaute Leyla aus dem Fenster, so sah sie eben nicht mehr das Straßenschild gegenüber, auf dem das Wort "Schulstraße" stand, oder die Aufschrift "Post" auf dem Briefkasten, sondern sie sah nur noch Bilder, die jedes Kleinkind erkennen konnte.
Leyla hatte sich deshalb in den vergangenen drei Jahren nichts sehnlicher gewünscht, als dass die Menschen wieder lesen lernen – und das mit Begeisterung. Doch sobald sie es jemandem beizubringen versuchte, hatte derjenige seine gesamten Fortschritte am nächsten Morgen wieder vergessen. Mittlerweile hatte Leyla es aufgegeben, zu versuchen, jemandem das Lesen beizubringen. Sie hatte sich schließlich damit abgefunden, in ihrer eigenen Welt zu leben. Ihr Wunsch, so glaubte sie, würde wohl nie in Erfüllung gehen.
Plötzlich wachte Leyla auf. Etwas war heute anders. Sie konnte sich nur nicht erklären, was genau es war. Also ging sie durch den dunklen Hausflur und schaute in die Küche. Sonnenstrahlen blendeten vom Fenster über dem Esstisch in ihr Gesicht. Da erschrak sie, ihr Vater las eine Zeitung. Nicht etwa eine aus Bildern und Zeichnungen, sondern eine Zeitung aus Wörtern und zusammenhängenden Sätzen.
Sie ging benommen weiter und erblickte vom Balkon aus ein Straßenschild, auf dem "Schulstraße" abgedruckt war und direkt daneben stand der Briefkasten mit der Aufschrift "Post". Ein Postbote leerte ihn gerade. Sie konnte das alles doch nicht geträumt haben! Was war nur passiert?
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