"Was zählt, ist die Persönlichkeit"

Der britische Jazz-Pop-Musiker Jamie Cullum hat sein neues Album "Taller veröffentlicht" – mit Hilfe seiner Frau Sophie Dahl.  

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Jamie Cullum   | Foto: Universal Music
Jamie Cullum Foto: Universal Music
Der Bloomsbury Ballroom in London ist an einem Mittwochabend rappelvoll. Kein Wunder: Zum ersten Mal stellt Jamie Cullum ein paar Nummern seines Albums "Taller" live vor – angefeuert von seiner Frau Sophie Dahl, einst Model, heute Schriftstellerin, die im Publikum steht. Ihr hat der 39-jährige Sänger seine Platte gewidmet, weil ihn die Gattin aus seiner Schaffenskrise herausholte. "Ich hatte zwar einige Stücke eingespielt", erinnert er sich. "Doch denen fehlte das gewisse Etwas." Dieser Missstand zog den Briten immer weiter runter: "Ich dachte, ich hätte den Zenit meiner Karriere bereits überschritten." Zum Glück konnte ihn seine Frau vom Gegenteil überzeugen. Sie redete mit ihm, hörte ihm zu. Schließlich riet sie ihm, noch einmal von vorne zu beginnen und wirklich ehrliche Lieder zu schreiben.

Das hat funktioniert. Im Titelsong philosophiert der 39-Jährige über äußere und innere Größe: "In der Boulevardpresse wurde ja viel darüber geschrieben, dass ich kleiner als meine Frau bin. Darum wollte ich klarstellen, was wirklich zählt: die Persönlichkeit." Der Sound zu dieser Reflexion ist von den White Stripes ebenso inspiriert wie von Ray Charles: "Für mich haben diese Musiker durchaus etwas gemeinsam. Sie sind Virtuosen."

Genau wie Prince, der beim funkigen "Usher" Pate stand. Für dieses Lied gab wieder Sophie Dahl die Initialzündung. Sie verbrachte einen Abend mit einer Freundin, die ebenfalls kleine Kinder hat. Als die beiden den Sänger Usher im Fernsehen sahen, sagte sie: "Oh Gott, früher kannte ich Usher." Dieser Geistesblitz sei für seine Frau wie eine Szene aus einem anderen Leben gewesen, erzählt Jamie Cullum: "Als Mutter sieht ihr Alltag natürlich völlig anders aus. Sie geht kaum noch aus." Auch für ihn selbst hat sich einiges geändert, seitdem er Vater von zwei Töchtern ist: "Ich mache jetzt keine langen Tourneen mehr. Denn ich will nicht so oft von meinen Kindern getrennt sein." Hier ein Auftritt beim Elbjazz in Hamburg, da ein Konzert beim Schleswig-Holstein Musikfestival in Kiel – so reduziert gibt sich sein Live-Kalender heute. Ansonsten arbeitet Jamie Cullum lieber daheim in der Grafschaft Buckinghamshire in seinem eigenen Studio. "In London", grübelt er, "hätte ich mir diesen Luxus niemals leisten können. Wer kein Millionär ist, kann in dieser Stadt ein Haus mit Garten und Studio schlichtweg nicht bezahlen."

Dabei hat Jamie Cullum für einen Jazzmusiker überdurchschnittlich viel Erfolg. Allein von seinem Langspieler "Twentysomething", der ihm 2004 seinen Durchbruch bescherte, wurden weltweit mehr als 2,5 Millionen Exemplare verkauft. Das lag wohl nicht zuletzt daran, dass er geschickt zwischen den Genres pendelte. Mal interpretierte der Sänger einen Standard wie "I get a Kick out of you", mal eine Eigenkomposition. Auf seiner neuen CD "Taller" dagegen hat er alle Stücke selber geschrieben. Wenn er sich ans Klavier setzt, beweist er Fingerspitzengefühl und entlockt seinem Instrument elegante Harmoniebögen. Bläser schmücken einige Stücke, dazu gesellen sich teilweise Streicherpassagen. Ein Gospel-Chor mischt "Mankind" auf. Die opulente Ballade "Drink" hat das Zeug zum Ohrwurm – ohne sich auf eine bestimmte Stilrichtung festzulegen. "Über Genres wie Pop oder Jazz habe ich mir überhaupt keine Gedanken gemacht", erläutert Jamie Cullum. "Mein Ziel war es, diesmal das Songwriting in den Vordergrund zu rücken."

In seinen Texten seziert er poetisch seine Empfindungen und Beobachtungen. Das getragene "Age of Anxiety" entspringt einem eher dunklen Moment. "Ich bin zwar von Natur aus kein übermäßig furchtsamer Mensch", sinniert Jamie Cullum. "Trotzdem sind mir Ängste nicht fremd." Wie wohl so ziemlich jeder hadert er manchmal mit seinem Aussehen. Er denkt darüber nach, wie er sich in der Öffentlichkeit am besten präsentieren kann. Oder fragt sich, ob seine Projekte tatsächlich gut ankommen werden: "Obwohl mich diese Zweifel nicht täglich plagen, poppen sie hier und da wieder hoch. Das ist einfach unvermeidbar."

Gleichwohl taucht Jamie Cullum in seinen Songs nicht nur in seinen Schmerz ein. Der Mutmach-Titel "For your Love" liefert den Beweis dafür, dass ihm sein Optimismus nicht vollständig verloren gegangen ist. "Ich würde mich als einen Realisten bezeichnen", führt er aus. "Was ich mit der Zeit gelernt habe: Egal, wie perfekt ein Leben von außen zu sein scheint, es gibt immer Dinge, die im Argen liegen." Vielleicht ist ein Familienmitglied schwer krank, vielleicht hat jemand gerade seinen Job verloren: "Solche Schicksalsschläge sind leider unvermeidbar. In irgendeiner Form treffen sie jeden. Je eher man das akzeptiert, desto besser."

Jamie Cullum: Taller (Island/Universal).
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