Studie

Warum prügeln sich Flüchtlinge?

Auch in Baden-Württemberg wird die Polizei oft zu Einsätzen in Flüchtlingsheimen gerufen. Enge, Langeweile sowie ethnische und kulturelle Unterschiede fördern Konflikte unter Asylbewerbern – so eine Studie.  

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Polizeieinsatz vor einer Erstaufnahmestelle in Hamburg-Bergedorf. Foto: dpa
Die Berichte über Gewalt unter Asylbewerbern häufen sich: Von Massenschlägereien ist da zu lesen, von teils brutalen Auseinandersetzungen unter Bewohnern, von Polizeieinsätzen. Was ist da los in den Unterkünften für Menschen, die doch eigentlich vor Gewalt geflüchtet waren? Wie repräsentativ sind diese Fälle? Was sind ihre Ursachen?

Zu diesen Fragen liegt nun eine Studie vor, die das Brandenburger Innenministerium in Auftrag gegeben hat. Dafür wurden Ende 2014 Personal und Bewohner in fast allen Gemeinschaftsunterkünften für Asylsuchende in Brandenburg befragt, also noch vor dem jüngsten Anstieg der Flüchtlingszahlen. Trotzdem dürften die Erkenntnisse der Potsdamer Sozialforscher noch Bestand haben – auch außerhalb Brandenburgs.

Fast immer geht Gewalt von – zumeist jungen – Männern aus

Das wichtigste Fazit: "Grenzüberschreitendes Verhalten und aggressive verbale Auseinandersetzungen, Bedrohungen und Beleidigungen sowie schwerwiegende Sachbeschädigungen" gehören "zum Alltag" in Flüchtlingsunterkünften. Ob aus diesem Aggressionspotential aber offene Gewalt wird, hängt laut der Studie von vielen Faktoren ab.

Konflikte eskalieren vor allem dort, wo viele Flüchtlinge auf engem Raum untergebracht werden, wo Menschen aus vielen Ländern und Kulturen zusammenleben, ohne sich in einer gemeinsamen Sprache verständigen zu können, und wo es kaum Beschäftigungsmöglichkeiten gibt. Fast immer geht Gewalt von – zumeist jungen – Männern aus.

Ausgangspunkt sei meist Streit über "Sauberkeit in den gemeinschaftlich genutzten Räumen und Lärm", heißt es in der Studie. Eine Gruppe fühlt sich von der anderen gestört, reagiert gereizt, die Sache eskaliert – vor allem in den Abendstunden. Alkohol- und Drogenkonsum wirke dann oft als Konfliktbeschleuniger.

"Immer wieder wurde Hass zwischen unterschiedlichen Nationalitäten oder Religionen als letztliche Ursache benannt." Potsdamer Studie
Typisch sind der Studie zufolge Vorfälle, wie sich jetzt am Dienstag in Hamburg einer ereignet hat. Dort war in einem Flüchtlingsheim zwischen zwei Jugendlichen aus Afghanistan und Albanien in einem Toilettencontainer Streit ausgebrochen – später kam es zu einer Massenschlägerei zwischen Afghanen und Albanern. Die Potsdamer Soziologen sehen tiefere Gründe, wenn ein alltäglicher Zwist derart eskaliert: "Immer wieder wurde Hass zwischen unterschiedlichen Nationalitäten oder Religionen als letztliche Ursache benannt." Gerade um Klo und Bad entzünden sich oft Konflikte: "So ärgerten sich zum Beispiel befragte Christinnen und Christen über die Toilettenbenutzung von Personen mit islamischem Glauben." Muslime wiederum zeigten sich oft "durch die Freizügigkeit anderer Bewohnerinnen und Bewohner in den Gemeinschaftsräumen in ihren religiösen Gefühlen beleidigt, provoziert oder gar angegriffen."

Als besonders aggressiv werden Asylbewerber beschrieben, die mit ihrer Religionsausübung sehr konservative Praktiken verbinden (Salafismus) oder die sich in einem Prozess der Radikalisierung (Islamismus) befinden. Sie seien auch "als eine schlimme und brutale Quelle für Gewalt an Frauen" geschildert worden, etwa wenn sie versuchten, diesen bestimmte Kleidung aufzuzwingen.


Interaktive Grafik: Polizei-Einsätze und Ermittlungen bei den LEA in Baden-Württemberg

Überhaupt werden insbesondere Frauen in Flüchtlingsheimen Opfer der Gewalt. Alleinstehende Frauen berichteten über "beständige Angst", nachts würden sie "bedrängt" und müssten bei "einer Verweigerung mit aggressiven Reaktionen rechnen". Sozialarbeiter hätten auch oft Fälle häuslicher Gewalt gegen Kinder und Frauen angesprochen – und von ihrer Zurückhaltung berichtet, einzuschreiten. Denn auch Betroffene würden solche Vorkommnisse oft als normal wahrnehmen.

So beunruhigend die Bestandsaufnahme ausfällt – in einer Mehrheit der Brandenburger Unterkünfte ging die Gewalt im untersuchten Zeitraum zurück. Als Ursachen werden Veränderungen in der Zusammensetzung der Bewohner, bauliche Verbesserungen und präventive Maßnahmen genannt. Ein Schlüsselfaktor sei die Ausstattung mit Personal – und dessen Kompetenz, deeskalierend zu wirken. Und: In kleineren, abgeschlossenen Wohneinheiten "sinken die gewalttätigen Auseinandersetzungen gegen Null".

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