Breisgau-Hochschwarzwald
Warum es zu so vielen Wildunfällen im Breisgau kommt
Hunderte Wildtiere werden jährlich durch Verkehrsunfälle getötet. Straßen zerschneiden die Lebensräume der Tiere. Welche Lösungen sind für ein Miteinander von Mensch und Tier möglich?
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Von April 2015 bis April 2016 sind im Kreis 439 Wildtiere durch einen Unfall getötet worden. Kreisjägermeisterin Elisabeth Keil kennt das Problem. Denn für die Jagdpächter gehören Wildunfälle zum Alltag, sie werden zu den Unfallstellen gerufen.
"Oft muss das angefahrene Tier noch von uns erlöst werden", sagt Keil. Sie habe auch schon erlebt, dass Menschen die verletzten Tiere in den Arm genommen hätten. Das hält sie allerdings für die falsche Reaktion. "Wildtiere sind es nicht gewöhnt, von Menschen angefasst zu werden." Ist das Tier nach dem Unfall geflüchtet, geht der Jäger es suchen. Keil selbst, deren Jagdrevier in Ebringen liegt, wird vier bis fünf Mal im Jahr zu Wildunfällen gerufen. Die Kollegen, deren Reviere an viel befahrenen Bundesstraßen liegen, sind sehr, sehr viel häufiger im Einsatz, erzählt sie.
In der Tendenz kommt es oft auch dort zu Unfällen, wo unsere Straßen Wildtierkorridore kreuzen. Das sind Bewegungsachsen der Tiere, die Lebensräume miteinander verbinden. Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg in Freiburg hat diese Routen in einem Generalwildwegeplan festgehalten. Eine wichtige Funktion der Wildtierkorridore ist der genetische Austausch.
"Straßen bedeuten da besondere Zäsuren", erklärt Martin Strein von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt. "Sie zerschneiden nicht nur den Lebensraum der Tiere, sondern bergen auch ein hohes Mortalitätsrisiko." Die B 31 durchquert solch einen Wildtierkorridor beispielsweise zwischen Breisach und Oberrimsingen genauso wie zwischen Titisee-Neustadt und Löffingen auf Höhe von Rötenbach. Hier kommt es laut Strein häufig zu Wildunfällen.
Doch nicht nur der Ort, auch die Jahreszeit ist ein entscheidender Faktor für Wildunfälle. Kreisforstamtsleiter Karl-Ludwig Gerecke spricht von zwei Aktivitätsphasen beim Rehwild. "Im Frühjahr suchen sich die jungen Böcke neue Territorien, weshalb es dann zu mehr Wanderungen kommt." Besonders aktiv seien die Tiere außerdem zur Brunftzeit im Juli und August – "da passt das Sprichwort ,Liebe macht blind’", sagt Gerecke.
Um Mensch und Tier vor Unfällen zu bewahren, gibt es unterschiedliche Lösungsansätze. "Wichtig ist zunächst einmal ein regulierter Wildbestand", sagt Gerecke. "Wo die Dichte an Tieren nicht zu hoch ist, haben wir auch weniger Unfälle." Dann sollte eine Straße für Tiere möglichst überschaubar sein. "Straßen haben oft hohe Böschungen, so dass das Wildtier den Straßenraum nur schlecht überblicken kann", sagt Martin Strein. Aus demselben Grund sollte der Bewuchs am Straßenrand niedrig gehalten werden.
"Ganz wichtig ist, dass der Autofahrer Rücksicht nimmt", so Strein. In Risikogebieten empfehle es sich, nachts nur mit Tempo 70 oder 80 statt 100 zu fahren. "Viele Unfälle lassen sich durch etwas geringere Geschwindigkeit vermeiden."
So einfach und vor allem günstig sind allerdings nicht alle Lösungen. Was es im Landkreis bisher nicht gibt, sind Grünbrücken, auf denen Tiere viel befahrene Straßen gefahrlos überqueren können. "Das sind Millionenprojekte, die langfristig geplant werden müssen", sagt Karl-Ludwig Gerecke. Eine Idee ist, eine solche Grünbrücke über die B31 bei Rötenbach zu führen.
Eine andere Möglichkeit zur Verhinderung von Wildunfällen sind elektronische Wildwarnanlagen. Mit Hilfe von Infrarotsensoren erkennen sie, wenn sich ein Tier in ihrer Nähe bewegt, und lösen eine Blinkanlage aus, die den Autofahrer warnt. Davon gibt es laut Strein bislang eine in Baden-Württemberg, sie steht im Neckar-Odenwald-Kreis. Dort haben sich die Unfälle um rund 75 Prozent reduziert. Aufgrund der guten Erfahrung könnte die Anlage auch andernorts eingesetzt werden. Eine Möglichkeit sieht Strein bei Schliengen. Die Kosten lägen im fünfstelligen Bereich. Doch die Anlage hat einen großen Vorteil: "Im Gegensatz zum Verkehrsschild warnt sie vor einer akuten Gefahr."
Doch trotz der Lösungsmöglichkeiten – absolut gesehen erhöhe sich die Zahl der Wildunfälle weiter, sagt Martin Strein. Die Dichte und Geschwindigkeit des Verkehrs sowie die Dichte des Straßennetzes haben zugenommen. "Und so hat auch die Fragmentierung der Lebensräume zugenommen."
Zwischen April 2015 und April 2016 sind im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald 194 Rehe, 43 Wildschweine, 102 Füchse, 65 Dachse, 25 Hasen und 10 Marder durch einen Unfall getötet und amtlich erfasst worden.
- Interview: Wie man bei Wildunfällen richtig reagiert
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