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BUCHENBACH. Chemieunterricht wäre ohne Reagenzglas nicht vorstellbar. Die Gleichungen chemischer Reaktionen blieben blutleere Formeln, wenn es nicht auch mal in den Glasbehältern zischen und stinken würde. Was in den Fächern Chemie und Physik gewohnten didaktischen Standard darstellt – modellhaftes Experimentieren nämlich – gilt bisher weniger für den Geounterricht. Mathias Faller aus Buchenbach möchte das ändern – und hat deshalb ein innovatives Unterrichtsmedium geschaffen.
Wie soll man Naturvorgänge realitätsnah beobachten können, die sich im Zeitraum von Jahrtausenden vollziehen? Theoretisch weiß man, wie der Oberrheingraben entstanden ist, aber wie ist dies tatsächlich abgelaufen? Der Geologe und Pädagoge Mathias Faller ließ dieser Mangel an zeitgemäßen, nicht digitalen Unterrichtsmedien nicht ruhen. In einem Methodikseminar an der Pädagogischen Hochschule Freiburg präsentierte er 2014 einen aus Holzleisten und Plexiglasscheiben konstruierten Kasten und simulierte darin mit den Studierenden eindrucksvoll den Hauptmotor des Golfstroms. Durch gefärbtes Wasser mit unterschiedlichem Salzgehalt und Temperatur wurde zwischen den Scheiben die dadurch hervorgerufene Zirkulation der Wasserschichten sichtbar. "Ein solch komplexes Thema auf diese Weise veranschaulichen zu können, war für das Seminar eine völlig neue Erfahrung", erinnert sich Professor Gregor Falk, Institutsleiter der Abteilung Geographie. Für seine Examensarbeit in Pädagogik optimierte Faller Bauart und Handling für sein mittlerweile patentiertes Geowindow-System. Heute sind zwischen zwei hochwertigen Glasscheiben in einem ausgeklügelten Ventilsystem verschiedene Arten von Zugängen angeordnet, die die Befüllung des Zwischenraums mit liquiden, gasförmigen oder festen Inhaltsstoffen ermöglichen. Faller ist überzeugt: "Mit Geowindow sind viele naturwissenschaftliche Prozesse experimentell darstellbar. Es ermöglicht gemeinsames, interdisziplinäres Lernen in Schule und Hochschule mit nachhaltigem Lerneffekt."
Das Erleben vollzieht sich dabei in einem Dreierschritt. Schon in der Vorbereitungsphase muss entschieden werden, welche Materialien für den Versuch geeignet sind. Womit können etwa in geologischen Formationen nicht wasserleitende Schichten wie Ton simuliert werden? Ganz einfach: Mit Mehl, denn es erfüllt denselben Zweck. Dann der Versuch selbst: Was passiert? Stimmt der sichtbare Verlauf mit der Prognose überein? Geht etwas daneben? War die Anordnung genau genug? Im dritten, dem Reflexionsschritt, formt sich wissenschaftliche Erkenntnis. "Fast alle nötigen Zutaten für die Versuche sind im Supermarkt für wenig Geld erhältlich." Vor Freiburger Pädagogikstudierenden demonstriert er dies anhand eines simulierten Vulkanausbruchs. Ein Berg wird zwischen den Glasscheiben modelliert. Zuerst füllt Faller einen Kegel aus Backpulver ein.
Das Geowindow-Konzept
macht Naturphänomene nachvollziehbar.
Darüber wölben sich helle und dunkle Gesteinsschichten, bestehend aus speziellem Sand und Kaffeepulver. Dazwischen immer wieder Mehl, das zur Abdichtung dient. Faller färbt Essig mit roter Lebensmittelfarbe, zieht diesen in eine Injektionsspritze und spritzt ihn durch ein von einem mit Gel abgedichtetes Ventil in das Backpulver. Die Mischung beginnt alsbald zu brodeln. "Es entsteht Gas, wie bei jedem Vulkanausbruch und dadurch entwickelt sich Druck", erklärt Faller. Die rote Masse frisst sich durch die Schichten und sprengt die Mehlbremsen. In natura sind dies Erdstöße, die den Ausbruch des Vulkans andeuten. Alle sind gespannt, wo sich nun genau die eigentliche Eruption ereignet, denn dies sollten die Studierenden gestützt auf ihr Vorwissen voraussagen. Als das Gemisch an die Oberfläche tritt, hat sich manches der Vorhersagen gemäß entwickelt. "Dies lehrt uns, dass geophysikalische Vorgänge nur annähernd berechnet werden können, weil die genaue Beschaffenheit des Untergrundes niemals exakt bekannt ist. Unser Versuch wäre anders verlaufen, hätten wir die Schichtung modifiziert."
Faller erklärt: "Die Hardware ist flexibel, es kommt darauf an, was man zeigen will." Sedimentation, Plattentektonik, Quellenentstehung, Meeres- oder Grundwasserströmungen, Tsunamis und mehr seien darstellbar. Dazu kommt, dass das Handling dieses Elementarwerkzeugs für den naturwissenschaftlichen Unterricht einfach und ungefährlich sei.
Faller hat mittlerweile zahlreiche Bildungsbausteine für Primär- und Sekundarstufe sowie für Hochschulen entwickelt. Sein Geowindow-Konzept findet immer größere Beachtung. Der Innovationsfonds der Badenova unterstützt seine Arbeit mit 130 000 Euro in drei Jahren. Gut möglich, dass Fallers Innovation den Lernspaß in naturwissenschaftlichen Fächern erheblich erhöht.
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