Von Nepal auf den Weihnachtsmarkt
Vier Tibeter sind derzeit im Kailash-Haus in Freiburg zu Gast, um das winterliche Fest der Christen einmal live mitzuerleben.
Margarete Jacob
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Den Nikolaus kennt keiner in Tibet. Und Weihnachtsengel und Christbaumschmuck gibt es in Tibet auch nicht, sagt die 25-jährige Kelsang aus Nepal. Stattdessen werden in Tibet zum Beispiel Gebetsmühlen als ein Symbol des buddhistischen Glaubens gekurbelt. Seit allerdings die Chinesen kurz nach dem Zweiten Weltkrieg Tibet besetzt haben und dort ein repressives kommunistisches Regime etablierten, mahlen die Gebetsmühlen langsamer als zuvor, erzählt Kelsang.
Vier Wochen verbringt die kleine Familie im Tibet-Kailash Haus in Freiburg. Eingeladen hat sie Wilfried Pfeffer, der Leiter dieses buddhistischen Zentrums. Jamyang Drongpa kennt ihn, seit seiner Kindheit. Jamyangs Onkel nämlich war in Nepal der Lehrer des jungen Deutschen, als der sich dem Buddhismus zugewandt hatte. So entstanden private Kontakte aus dem fernen Asien nach Freiburg. Dieser Besuch ist deshalb nicht der erste im Schwarzwald - aber der erste während der Vorweihnachtszeit. Da stehen natürlich ein Weihnachtsabend in einer Familie und ein Besuch im Münster auf dem Programm - und an einigen Tagen der Verkauf von traditionellen buddhistischen Ringen und Ketten auf dem Kartoffelmarkt.
Die Vier lassen sich mit den Menschenmengen durch die engen Gassen und über den Markt drängen. "Es ist alles so schön", freut sich Yangyang, Jamyangs Mutter, "die geschmückten Straßen und die weißen Lichter." Völlig neu und unbekannt ist Weihnachten und Weihnachtszubehör den in Nepal lebenden Tibetern allerdings nicht. Das (christliche) Fest beginnt seinen Siegeszug auch auf dem asiatischen Kontinent anzutreten. Ein Christkind im Land des Dalai Lama? "Bis jetzt gehen wir an diesem Tag höchstens tanzen", sagt Kelsang. "und Nepal ist ein bisschen weihnachtlich geschmückt." Das ist dann aber auch schon alles. Das größte Fest der buddhistischen Tradition ist übrigens der Neujahrstag. Das ist so wichtig, dass es drei Tage lang zelebriert wird. Und weil die Tibeter nach einem eigenen Kalendersystem rechnen, beginnt das Fest - anders als unser Neujahr - immer an einem anderen Datum, erklärt Kelsang. Im Jahr 2002 fängt das buddhistische Neue Jahr am 13. Februar an.
"Der Alte mit dem weißen Bart steht im Buddhismus für ein langes Leben." Kensang (Tibeterin)
Alle Familienmitglieder versammeln sich dann, um einen Tag miteinander zu verbringen. Alle - das können nach tibetischer Tradition ganz schön viele sein. Erwachsene und verheiratete Kinder verlassen das elterliche Haus nämlich nicht, sondern wohnen weiter mit Mutter und Vater, Kindern und Enkeln unter einem Dach. Der zweite Tag gehört dann ganz den Freunden. Wein und Süßigkeiten werden als Mitbringsel eingepackt, große Geschenke gibt es nicht. Statt dessen werden religiöse Opfergaben dargebracht. Der Morgen des letzten Neujahrsfesttags beginnt ebenfalls mit einer religiösen Feier, die traditionell im großen Kreis der Familie abgehalten wird. Ganz in westlicher Manier gehört eine Shopping-Tour danach ebenso zum Programm wie das Gebet und die Meditation in den früheren Stunden. Eigentlich ist der Buddhismus für viele junge Leute gar nicht mehr so wichtig, erklärt Kesang. Und doch seien auch die Jungen in ihrem gesamten Verhalten und Denken sehr von buddhistischen Werten wie Mitgefühl und Hilfsbereitschaft geprägt. Stimmt, bestätigt Yangchen: "Ich würde niemals etwas tun, was religiösen Grundsätzen widerspricht."
Ein anderes wichtiges Fest ist der Geburtstag des Dalai Lama, des Oberhauptes der Tibeter. Und auch der 10. Dezember ist immer ein Festtag: der Tag, an dem der Dalai Lama 1989 den Friedensnobelpreis verliehen bekam, eine Auszeichnung, die im Befreiungskampf der Tibeter ein wichtiges Zeichen setzte. "Alle Tibeter wünschen sich nur eins", seufzt Jamyang, "dass Tibet frei ist."
Ohne ein eigenes Land und eine wirkliche Heimat sei es aber schwer für die Freiheit eines unterdrückten Volkes zu kämpfen, sagt Jamyang, und viele der jungen Leute wollen inzwischen Tibet verlassen, wollen raus, zumeist in die westliche Welt, um in den USA oder Europa ihr Glück zu machen. Die meisten von ihnen kehrten aber zurück zu ihren Wurzeln, denn die buddhistische Religion und Kultur werde ihnen im Lauf des Lebens dann wieder wichtiger. Buddhistische Traditionen können aber nur in einem freien Tibet ausgeübt werden - und dem von China unterdrückten Land Hilfe leisten, das wollen, so Jamyang, alle "Heimkehrer".
Auch Kelsang wird helfen. Ihre Zukunftsvorstellungen sind sehr konkret: Ein Wirtschafts-Studium will sie absolvieren, am liebsten in den USA. Nicht etwa Reichtum verspricht sie sich davon: "Dann könnte ich ja auch einen reichen Mann heiraten." Aber: nur wer Bildung hat, wird auch ernst genommen. Kensang weiß, dass sie eine der wenigen Tibeterinnen ist, die die Chance haben zu studieren und andere Länder zu bereisen. Und diese Chance will sie nutzen, um dann nach Tibet zurückzukehren und dort für das ferne Ziel "Freiheit für Tibet" zu kämpfen. Das ist für die Vier auch dieser Tage in Deutschland immer wieder ein Thema. Ansonsten geht es hier dieses Mal eben auch um das große Fest des Gastgeberlandes. Ganz einfach um Weihnachten.
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