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Interview

Viona Harrer - eine Frau hütet das Eishockey-Tor eines Männerteams

  • Laetitia Obergföll

  • Mo, 05. März 2012
    Eishockey

     

Eishockey gilt als Männerdomäne - und doch kommen hier auch Frauen zum Zug. Viona Harrer zum Beispiel. Sie steht im Tor der Erdinger Männer in der dritten Liga. Ein Interview.

Seit sie fünf Jahre alt ist spielt Viona Harrer Eishockey. Seit vier Jahren steht sie im Tor der Erding Gladiators – einer reinen Männermannschaft. Außerdem spielt sie in der Frauennationalmannschaft. Foto: Matthias Baumann
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Wenn der Puck übers Eis flitzt, ist Viona Harrer die wichtigste Frau in ihrem Team. Und die einzige. Denn die 25-Jährige steht in der dritthöchsten Eishockeyliga, der Oberliga Süd, im Team der Erding Gladiators im Tor. Harrer ist außerdem Torhüterin der Frauennationalmannschaft, Stabsunteroffizier bei der Bundeswehr und studiert Pädagogik an einer Fernuni. Laetitia Obergföll wollte von ihr wissen, was Männer im Sport von Frauen unterscheidet – und ob sie Männer mittlerweile besser versteht.

BZ: Frau Harrer, haben Sie schon immer lieber mit Jungs gespielt als mit Mädchen?

Harrer: Das würde ich so nicht sagen, ich hatte auch immer Freundinnen. Aber im Sport habe ich mich schon immer gerne mit den Jungs gemessen, weil die einfach besser waren. Ich hatte von klein auf sportliches Talent und da hat mich der Wettkampf mit Jungs einfach mehr herausgefordert.

BZ: Dass eine Frau im normalen Ligabetrieb gemeinsam mit Männern spielt, gibt es in keiner anderen Sportart. Wie hat sich das bei Ihnen ergeben?

Harrer: Im Eishockey fangen alle Mädels im Nachwuchs bei den Jungs an, weil es keine Nachwuchsmannschaften für Mädchen gibt. Normalerweise trennen sich die Wege während oder nach der Pubertät, weil der Kraftschub bei den Jungs größer ist. Im Tor spielt der Körperkontakt aber keine so große Rolle, deshalb findet man dort schon ab und zu mal Frauen.

BZ: Aber so hoch wie Sie spielen nur sehr wenige, oder?

Harrer: Ja, da ist es schon ungewöhnlich.

BZ: Nun ist ja Eishockey nicht gerade der klassische Frauensport und in Deutschland spielen es auch noch nicht so viele Frauen. Wie sind Sie zu der Sportart gekommen?

Harrer: Das ist familiär bedingt. Mein Opa war Eishockeytrainer und hat auch einen Verein gegründet und mein Vater war auch Eishockeytorwart. Der Hauptgrund, warum ich mit Eishockey angefangen habe, war aber mein größerer Bruder, der auch Eishockey gespielt hat. Ich habe zeitgleich auch Fußball gespielt, aber Eishockey hat mir mehr Spaß gemacht.

BZ: Spielt ihr Bruder heute auch noch?

Harrer: Ja, der spielt auch noch.

BZ: Auch so hochklassig wie Sie?

Harrer: (lacht) Nein, der spielt niedriger.

BZ: Liegt das daran, dass Sie sich mehr durchbeißen mussten?

Harrer: Das ist sicherlich so. Aber ich bin generell auch der ehrgeizigere Typ von uns beiden.

BZ: Glauben Sie, dass es heute überhaupt noch so etwas wie typische Männer- oder Frauensportarten gibt?

Harrer: Also beim Fußball kann man sicherlich nicht mehr sagen, dass das ein Männersport ist. Bei Sportarten wie Rugby oder American Football ist das wohl anders. Und Eishockey spielen zwar noch immer mehr Männer als Frauen, aber ich würde trotzdem nicht sagen, dass Eishockey ein typischer Männersport ist. Generell glaube ich nicht, dass man heute noch sagen kann, dass etwas typisch weiblich oder typisch männlich ist. Aber das kommt vermutlich auch darauf an, wie man erzogen ist.

BZ: Trägt es aus Ihrer Sicht dazu bei, dass die Grenzen verschwimmen, wenn Sportarten wie Fraueneishockey etwa bei Olympischen Spielen im Fernsehen zu sehen sind?

Harrer: Sicherlich. Und das wird aus Frauensicht auch noch besser werden. Beim Boxen oder Skispringen zum Beispiel gab’s zunächst auch viele Vorurteile und das hat sich ja auch verändert. Ich finde: Wenn eine Frau an einer Sportart Spaß hat, dann soll sie sie auch machen.

BZ: Zurück zu Ihrer Mannschaft: Wie ist Ihr Verhältnis zu den Männern? Haben Sie eine Sonderrolle in der Mannschaft?

Harrer: Also das Verhältnis ist gut (lacht). Natürlich habe ich manchmal Nachteile. Die Physis ist einfach bei einer Frau schwächer als beim Mann. Aber trotzdem gibt es auch Vorteile. Mit einer Frau wird zum Beispiel sanfter umgegangen und sie muss nicht ganz so viel Kritik einstecken. Generell ist es aber im Eishockey so, dass der Torhüter, egal ob männlich oder weiblich, besonders beschützt wird.

BZ: Waren Sie nervös, als Sie im Ligabetrieb zum ersten Mal nur mit Männern auf dem Eis standen?

Harrer: Beim ersten Ligaspiel in der Seniorenliga war ich natürlich nervös. Aber nicht, weil ich eine Frau unter Männern war, sondern einfach, weil es mein erstes Ligaspiel war und ich gut sein wollte.

BZ: Wie haben denn Zuschauer und Gegenspieler reagiert?

Harrer: Von den Gegenspielern gab es keine Reaktionen. Und Fans, mein Gott, die lassen halt ab und zu komische Gesänge los. Aber da muss man drüber hinweghören.

BZ: Es gibt einen Viona-Harrer-Fanschal mit der Aufschrift "Rock it Baby". Stört es Sie, wenn Sie so bezeichnet werden?

Harrer: Da habe ich ehrlich gesagt noch nie so drüber nachgedacht. Es ist halt ein Fanartikel, nichts, wo ich mich größer dran aufhänge.

BZ: Sie haben ja schon erzählt, dass Ihre Familie eishockeyverrückt ist. Dann hatten Eltern und Freunde vermutlich auch kein Problem damit, dass Sie nun mit lauter starken Männern auf dem Eis stehen.

Harrer: Nein. Aber ich hatte natürlich auch Glück, dass sich in den vergangenen 20 Jahren so viel verändert hat. Ich habe ja mit fünf Jahren angefangen und damals war es noch viel ungewöhnlicher, das Mädchen Eishockey spielen. Ich bin aber immer sehr gut unterstützt worden und habe nie doofe Sprüche gehört.

"Mit Frauen muss man

vorsichtiger sein."

BZ: In der Nationalmannschaft stehen Sie nur mit Frauen auf dem Eis. Können Sie beschreiben, wie sich das unterscheidet – außer, dass das Spiel langsamer ist?

Harrer: Natürlich ist es langsamer. Außerdem sind die Schüsse nicht so hart und es gibt weniger Checks, weil die auch von den Regeln her unterbunden werden. Ich finde auch, dass sich Frauen nicht so gut pushen können wie Männer. Die haben einfach mehr Aggressivität. Und man muss bei Frauen vorsichtiger sein mit Kritik, weil sie empfindlicher sind. Auch wenn der Trainer etwas sagt, tendieren Frauen dazu, alles auf die Goldwaage zu legen. Männer ärgern sich vielleicht auch, aber sie hängen sich nicht so daran auf wie Frauen.

BZ: Dann ist es für Sie in doppelter Hinsicht von Vorteil, mit den Männern zu spielen: Zum einen, weil Sie lernen Kritik besser wegzustecken, und zum anderen, härtere Schüsse zu halten.

Harrer: Ich denke schon, dass das von Vorteil ist. Als Torwart muss man das Spiel ja lesen, und wenn es langsamer ist, hat man mehr Zeit, ist früher in der richtigen Position und kann sich besser auf den Schuss einstellen. Aber ich denke, das ist bei jedem Sportler so, der auf sehr hohem Niveau trainiert und auf etwas niedrigerem Niveau spielt.

BZ: Wenn die Frauenliga stärker wäre, würden Sie dann generell lieber nur mit Frauen spielen?

Harrer: Ich wäre schon froh, wenn die Liga besser wäre, weil dann die Konkurrenz größer wäre und wir uns auch international verbessern würden. Aber für mich persönlich ist es kein Problem, dass ich mit Männern trainieren muss.

BZ: Eine praktische Frage: Haben Sie eine eigene Kabine?

Harrer: Nein. Ich ziehe das, was ich direkt auf der Haut trage, in einem Nebenraum oder der Dusche an und die Ausrüstung dann ganz normal in der Kabine. Man will ja auch dabei sein und nicht in seinem eigenen Kämmerchen sitzen. Das Kabinenleben gehört ja auch zum Sport dazu.

BZ: Und wie ist das bei Auswärtsspielen? Gibt’s da dann auch immer eine zusätzliche Dusche?

Harrer: Ach, entweder gibt es eine oder ich dusche zuerst. Oder die Jungs duschen eben als Erstes. Es ist immer ganz lustig, weil die Leute immer meinen, das sei ein Riesenproblem, dabei ist es überhaupt kein Problem.

BZ: Sie spielen jetzt schon vier Jahre in dem Männerteam. Und Sie sind Stabsunteroffizier bei der Bundeswehr, das ist ja auch eher ein Männerverein. Haben die vielen Männer um sie herum Sie verändert? Verstehen Sie Männer vielleicht besser als andere Frauen?

Harrer: Gute Frage (lacht). Dass ich bei der Bundeswehr bin, hängt ja nur mit dem Sport zusammen, weil ich so professionelle Trainingsbedingungen haben kann. Ich lebe ja nicht in der Kaserne. Aber zur Frage zurück: Ich glaube, dass man auf jeden Fall abgehärteter wird, dass man zum Beispiel nicht alles so ernst nimmt, was Männer so von sich geben oder behaupten zu machen. Man weiß ja auch nicht immer, ob das alles so stimmt. Und ich bin auf jeden Fall über vieles, was der eine oder andere so von sich gibt, nicht mehr so schockiert.

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Frauen im Eishockey

In Deutschland dürfen Frauen in allen Altersklassen im Ligabetrieb in Männermannschaften mitspielen. Dies sei im Sinne der Gleichberechtigung, allein die Leistung zähle, erklärt Michael Pfuhl, technischer Direktor des Deutschen Eishockeybundes. Theoretisch kann eine Frau also auch in der höchsten Eishockeyliga, der DEL, mitspielen. Das hat bisher nur eine Frau geschafft: Maren Valenti aus Freiburg hatte 1998 einen Kurzeinsatz bei den Eisbären Berlin, der aber vor allem der Werbung diente. Valenti spielte zudem in der zweiten Liga der Herren beim EHC Freiburg.

Eine eigene Fraueneishockeyliga gibt es in Europa seit den 80er Jahren. Die erste Weltmeisterschaft für Frauen wurde 1990 ausgetragen, das erste olympische Turnier fand 1998 in Nagano statt. Die Regeln im Fraueneishockey orientieren sich an denen der Männer, allerdings sind Body-Checks verboten.

Ressort: Eishockey

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