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BZ-Interview

Vierlingsgeburt in Freiburg: "Eine Menge Glück gehabt"

Die Vierlinge, die in der Freiburger Uniklinik das Licht der Welt erblickt haben, haben ein riesiges Interesse ausgelöst. Wir sprachen mit einem Experten für Neugeborenenmedizin über das seltene Phänomen.  

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Das Schicksal hat es gut mit ihnen gemeint: die gesunden Freiburger Vierlinge: Eva, Maria, Sara und Hanna Foto: Uniklinik Freiburg/Britt Schilling

Seit dem 6. August sind Eva, Maria, Sara und Hanna auf der Welt – und inzwischen steht fest: Ihr Start ins Leben ist gelungen. Das ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Vierlinge haben es gerade am Anfang nicht leicht – zumal wenn sie wie die vier Geschwister schon nach 25 Wochen und gerade mal 700 Gramm schwer den Mutterleib verlassen. Michael Brendler sprach mit Roland Hentschel, dem Leiter der Neonatologie der Uniklinik Freiburg, über derart seltene Mehrlingsgeburten.

BZ: Herr Professor Hentschel, Glückwunsch. Vier 25 Wochen alte Frühgeborene – und alle werden bald fit und munter die Klinik verlassen. Wie haben Sie und Ihr Team das geschafft?
Hentschel: Die größten Herausforderungen bei solchen Mehrlingen sind eigentlich die gleichen, die sich auch bei frühgeborenen Einlingen stellen – und solche Fälle sind für uns Neonatologen heutzutage eigentlich tägliche Routine. Allerdings stößt selbst eine große Klinik wie die unsere an ihre Grenzen, wenn sie vier dieser kleinen Patienten auf einmal versorgen muss – der personelle und apparative Aufwands ist unglaublich groß.

"Alle vier Kinder haben die typischen Komplikationen von sehr unreifen Frühgeborenen geboten." Roland Hentschel
BZ: Gerade die ersten Wochen im Leben von Eva, Maria, Sara und Hanna sollen sehr hart gewesen sein. Warum?

Hentschel: Ich möchte hier nicht mehr berichten, als den Eltern womöglich lieb wäre. Ich kann nur so viel sagen: Alle vier Kinder haben die typischen Komplikationen von sehr unreifen Frühgeborenen geboten – im Wesentlichen waren das Probleme mit dem Kreislauf und der Lungenfunktion. Dass wir die Kinder nun aber in einem so guten Zustand nach Hause entlassen können, war keineswegs selbstverständlich – ob ein Frühgeborenes bleibende Schäden an Gehirn, Lunge oder Augen entwickelt, hat trotz aller medizinischen Möglichkeiten selbst heute noch etwas Schicksalhaftes. Und insofern glaube ich, dass die Eltern und wir auch eine gehörige Portion Glück gehabt haben.

BZ: Mit welchen medizinischen Möglichkeiten kann man denn dieses Schicksal zumindest positiv beeinflussen?
Hentschel: Das Wesentliche bei solchen Frühgeborenen ist die Überbrückung der Zeit, bis die Lunge voll funktionsfähig ist – in der Regel mit einer künstlichen Beatmung. Der zweite entscheidende Faktor ist die Ernährung. Weil Magen und Darm erst in der 32. bis 34. Schwangerschaftswoche die Fähigkeit erwerben, die Muttermilch richtig zu verdauen und ihre Nährstoffe aufzunehmen, gibt man den Kindern heutzutage zusätzlich Infusionen. Hinzu kommt der Brutkasten, der Inkubator, der die warme, feuchte Atmosphäre im Inneren der Gebärmutter imitiert. Dadurch können auch untergeordnete Organe wie die Haut ausreifen. Denn in der 25. Woche ist die Haut noch pergamentartig dünn.

BZ: Und kommen bei Mehrlingskindern noch andere, spezielle Probleme dazu? Hentschel: Weil ich 24 Jahre lang keine Vierlinge mehr betreut habe, habe ich mich anlässlich dieses Falles noch einmal mit Kollegen von anderen Kliniken ausgetauscht. Die meisten von uns sind sich einig: Gerade Drillinge und Vierlinge kommen, was ihre biologischen Funktionen angeht, noch ein Stück unreifer zur Welt als Einlinge – diese sind zum gleichen Zeitpunkt in ihrer Entwicklung ein bis zwei Wochen weiter. Und das hat nichts damit zu tun, dass Mehrlingskinder auch kleiner oder leichter sind. Es scheint vielmehr so zu sein, dass sich Mehrlinge im Mutterleib gegenseitig ein bisschen Reife abziehen.

BZ: Und woran liegt das?
Hentschel: Auch hier kann man nur spekulieren: Wir wissen, es gibt einen Signalaustausch zwischen den Feten, dem Mutterkuchen und der Mutter. Möglicherweise kommt es bei Mehrlingen hier zu einer Störung. So weiß man, dass bei Drillingen schon ab der 28. Woche das Wachstum ein bisschen zurückbleibt, bei Vierlingen noch früher.

"Wir werden die Kinder alle drei Monate in unserer Spezialsprechstunde nachuntersuchen – so wie alle anderen Frühgeborenen auch." Roland Hentschel
BZ: Bei Zwillingen ist das Leben ja nicht immer gerecht – manchmal kommt der eine ein bisschen zu kurz im Bauch. Gilt Ähnliches auch für Vierlinge?
Hentschel: In unserem Fall war es glücklicherweise so, dass alle Kinder einen gleich großen Anteil vom Mutterkuchen abbekommen haben, so dass sich alle gleich gut entwickeln konnten. Das ist aber längst nicht immer der Fall. Gerade bei höhergradigen Mehrlingen kann man sehr häufig beobachten, dass ein Kind zu kurz kommt und unterentwickelt ist. Dies ist einer der Gründe dafür, dass Vierlinge leider oft nicht alle im Mutterleib überleben und deshalb später dann als Drillinge oder Zwillinge zur Welt kommen.

BZ: Und gegenüber termingerecht geborenen Babys sind die Vierlinge auch nicht im Nachteil?

Hentschel: Als Frühgeborene müssen die Kinder die verpasste Reifeperiode außerhalb des Mutterleibs nachholen. Dabei gilt es zunächst einmal, eine kritische Phase zu überstehen: Selbst mit unseren heutigen Möglichkeiten können wir nicht verhindern, dass es bei den Kindern – insbesondere wenn sie schwer krank sind – in den ersten Wochen zu einem Wachstumsstopp kommt. Und zwar gerade in einer Phase, in der sich im Gehirn viele Nervenzellen bilden. Diesen Rückstand können die meisten Kinder allerdings wieder gut aufholen – angesichts des guten Verlaufs müssten unsere Vierlingen zum Beispiel bis zum Ende des zweiten Lebensjahrs zu ihren Altersgenossen wieder aufgeschlossen haben. Deshalb entwickeln sich – nach allem was wir wissen – Vierlingskinder später nicht anders als Einlinge und sie machen auch nicht seltener Abitur.

BZ: Zwei der Babys haben die Klinik bereits verlassen. Wann werden die anderen folgen?
Hentschel: Wir gehen davon aus, dass die Eltern die beiden anderen diese Woche ebenfalls mit nach Hause nehmen werden.

BZ: Werden Eva, Maria, Sara und Hanna von Ihnen auch danach weiter betreut?

Hentschel: Wir werden die Kinder alle drei Monate in unserer Spezialsprechstunde nachuntersuchen – so wie alle anderen Frühgeborenen auch. Und das wenigstens bis zum Ende des zweiten Lebensjahrs.

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Ressort: Gesundheit & Ernährung

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