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Urban Art im Freiburger Kunstverein: Mit Sprühdose und Schablone

Die Ausstellung "Urban Art – The New Contemporary Art" im Freiburger Kunstverein.  

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Im düsteren lila-schwarz-blauen Chaos voller Farbexplosionen, von denen jede wie ein Mini-Urknall aussieht, schweben Kokons – Wabenmenschen. Mit kleinen Wabenärmchen, in Bodybuilder-Manier empor gereckt, wollen sie den Kraftmeier mimen gegen die Urgewalt. Aussichtslos: Die Geschichte, welche die Bilder des Künstlers Dust erzählen, handelt von der Rückeroberung der Erde durch die Natur, der Mensch ist nur noch Objekt.

Die Auseinandersetzung mit der Frage nach dem "Recht auf Leben" verfolgt den den 29-jährigen Künstler. Längst interessieren sich internationale Sammler für den Freiburger, zuletzt hat er in New York ausgestellt. Dass erstmals eine große Ausstellung in Freiburg selbst seine Kunst zeigt, ist für ihn wichtig: "Junge Kunst ist hier bislang nicht ausreichend gefördert worden", sagt er.

Die Ausstellung war überfällig

Tom Brane, Kurator der Ausstellung im Kunstverein, sieht das auch so. Ähnlich wie Dust gehe es den zehn anderen Künstlern, die bei "Urban Art – The New Contemporary Art" mit Bildern, Skulpturen, Schablonendrucken oder Fotos vertreten sind. Die meisten kommen aus der Regio. "Wir stellen deutschlandweit und international aus – es ist nur logisch, dass wir unsere Kunst auch in der Heimat zeigen können", sagt Tom Brane. Urban Art sei längst Galerie-tauglich, die Ausstellung in Freiburg überfällig.

Der Begriff Urban Art steht für Kunstformen, die ihren Ursprung in Street Art und Graffiti haben, Kunst aus dem öffentlichen Raum in allen Formen, bei der die Künstler meist anonym bleiben. "Abseits des Vandalismus hat sich echte Kunst entwickelt", sagt Dust. Die Vielfalt der Stile und Techniken sei nicht mehr zu ignorieren. Und das schlechte Image der Sprühdose nervt die Künstler, die fast alle Kunst oder Design studiert haben. Sie wollen schlicht ihre Botschaften vermitteln: Die Kritik an der Ausbeutung der Natur durch den Menschen, an Ignoranz und alten Mustern zieht sich durch ihre Werke.

"Perfektion aus der Sprühdose", sagt Dust über den Kollegen Disk. Fotorealistisch kommt dessen Bild "Melancholie der Straße" daher, bei dem ein transparentes Gesicht über einer nächtlich leeren Straße schwebt. Wie ein neonbunter Zauberwürfel liegt im Bild "Strandgüter" Atommüll vor blendend blauem Meer. Mit Acryl, Sprühlack und Lackstift gestaltet der Künstler Index Kunstlandschaften vor Giftgasexplosionen, Atompilzen und psychedelisch anmutenden Kirchen, die so bunt leuchten, dass es fast comichaft lustig wirkt. "Ich packe gerne bedrückende Aussagen in bunte Verpackungen", sagt Index. Als Sinnbild für die Absurdität der Gesellschaft steht die Kirche, etwa als Würfel- und Kastenstapel. "Von außen harmoniert es, aber wenn du durch das Gebäude durchlaufen wolltest, würdest du scheitern", sagt der Künstler.

Eine schöne Muslima mit Kopftuch bläst ein Kondom auf, "Now Change" brüllt der Titel aus einer Sprechblase. Ein Herr mit Glatze, Typ Schuldirektor, fordert vermummt zum Aufstand auf: "Riot Tonight". Eine junge Frau schreit den Betrachter an. Die Welt im Umbruch will Nest da Foe zeigen, der für seine Schablonen-Technik bekannt ist. Im Bild "Your Future" bietet er eine neue Weltordnung zum Verkauf an: "For Sale: New Order".

Mit Kaffee, Salz und herkömmlicheren Mitteln malt Smy seine "Freaks und Freakadellen" auf Leinwand und konzentriert sich – etwa mit Staubknäueln, die als Kopffüßler "Funky Fussel Bunnys" auftauchen – eher auf den Mikrokosmos. Sein "Typical Vernissage Night" könnte eine Ausstellungseröffnung zeigen: Da schauen Rehe flüchtig, der Kritiker-Affe streckt die Brust, die Schildkröte guckt weise – und verrückte Vögel kaufen.

Bei der Vernissage am Freitag war das Publikum ähnlich bunt gemischt. Der Kunstverein, sagte Direktorin Caroline Käding, habe für die Ausstellung beschlossen, donnerstags keinen Eintritt für Nicht-Mitglieder zu verlangen, der jüngeren Zielgruppe zuliebe. "Es ist ein Experiment.". Positiv hätten die Kunstvereinsmitglieder auf den neuen Ansatz und die Ausstellung reagiert. Nur einen Einwand gab es, erinnert sich der Kurator: Ob die Kunst nicht etwas verliere, wenn man sie in die Galerie verfrachte?

Mit diesem Thema hat sich für die Ausstellung der Künstler Johannes Mundinger befasst und beschlossen, den Auftrag "Urban Art goes Galerie" buchstäblich zu nehmen. Die Unterlagen, die er bemalt, – Topfdeckel, alte Rahmen, Holz – hat er auf der Straße gefunden, sie in seine Gemälde im öffentlichen Raum integriert, wieder herausgenommen und in die Galerie gebracht. Sein Werk zeigt diese Ausschnitte, Fotos der ganzen Bilder und – in alter Straßenkunst-Manier auch die Wand der Galerie. Gerne, sagt Mundinger, hätte er auch darauf gesprüht. Erlaubt war leider ausschließlich Klebeband.
– Kunstverein Freiburg, Dreisamstr. 21, bis 30. September, Di-So,12-18 Uhr, Mi 12-20 Uhr. Infos zum Begleitprogramm: http://www.kunstvereinfreiburg.de

Ressort: Ausstellungen Rezensionen

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