UNTERM STRICH: Im Meer des Irrtums
Bedrohen Anglizismen die deutsche Sprache? / Von Moritz Lehmann.
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Borges ist 1986 gestorben. Und auch um die deutsche Sprache ist es nicht gut bestellt. Schuld daran sind die Anglizismen. Sie machen wohlklingende Wörter wie Schwindel, Selbstporträt oder Hausierer zu formlosen, dehnbaren und misstönenden Wörtern wie "fake", "selfie" oder "influencer" (junge Menschen, die ihr Geld damit verdienen, andere junge Menschen in sozialen Netzwerken auf subtile Art und Weise zu verführen, bestimmte Produkte zu kaufen).
Zugegeben, das Wort Selbstporträt mag zum Teil dem Französischen entliehen sein. Aber französische Wörter klingen elegant, das ist in Ordnung. Anglizismen dagegen sind für die Sprache Goethes, Heines, Hölderlins selten ein Gewinn.
Allerdings haben auch zahlreiche deutsche Lehnwörter Eingang in die englische Sprache gefunden. Ganze 3500 solcher Wörter sollen im Oxford English Dictionary verzeichnet sein, schreibt die Zeitung Die Welt. Ausgleichende Gerechtigkeit also?
Der Leipziger Sprachwissenschaftler Martin Haspelmath, der sich viel mit Lehnwörtern auseinandergesetzt hat, hegt Zweifel an dieser Zahl. Er glaubt: Das Deutsche hat seine Anziehungskraft verloren. Diese hatte es zunächst durch seine großen Intellektuellen ("leitmotiv", "dasein") und später durch seine Barbarei ("blitzkrieg") erhalten. Haspelmath fällt kein einziges deutsches Wort ein, das es nach Ende des Zweiten Weltkrieges in den englischen Sprachgebrauch geschafft hätte. "O glücklich, wer noch hoffen kann", sagt Goethes Faust, "aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen!"
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