UNTERM STRICH: Augen für die Gesichtslosen

Wie ein russischer Museumswärter in Teufels Küche kam / Von Frank Zimmermann.  

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Mit der Langeweile ist das so eine Sache. Für den Vielbeschäftigten mag sie wohltuend sein. Am Arbeitsplatz ist sie allerdings nicht von Vorteil, um nicht zu sagen gefährlich. Das belegt der Fall des Museumswärters Aleksandr Vasiliev. Es war so gar nichts los im Boris-Jelzin-Zentrum im russischen Jekaterinburg. Was er da beaufsichtigte, wusste der 63-Jährige – es war sein erster Arbeitstag – nicht. Als er Anna Leporskajas Gemälde "Drei Figuren" (geschätzter Wert: 880 000 Euro) genauer betrachtete, störte er sich an den stark abstrahierten Menschen – und malte den Gesichtslosen kurzerhand Augen. Er habe gedacht, es handle sich um "Zeichnungen von Kindern", entschuldigte er sich später. Warum in aller Welt er überhaupt Kinderbilder bewachen sollte, fragte er sich offenbar nicht.

Aleksandr Vasiliev ist nicht der Einzige, der nichtsahnend Schaden in einem Museum anrichtete. Legendär ist jene Putzfrau, die Joseph Beuys’ Fettecke in der Düsseldorfer Kunstakademie sorgsam entfernte. Im Dortmunder Museum Ostwall schrubbte eine Reinigungskraft so lange an einem Gummitrog, bis er blitzeblank war – nicht wissend, dass eben jene Patina wichtiger Bestandteil des berühmten Werks von Martin Kippenberger war. Im Freiburger Museum für Neue Kunst rückten einst Handwerker Chiharu Shiotas unverrückbares Wollfäden-Kunstwerk "Waiting" zusammen. Die japanische Künstlerin reiste an, um die Installation zu retten. Im Fall von Cecilia Giménez ging das nicht, die ältere Dame hatte in der Wallfahrtskirche Santuario de Misericordia im spanischen Borja zum Pinsel gegriffen, weil sie so betrübt über den zunehmenden Verfall eines Jesus-Freskos war. Sie hatte es gut gemeint, aber das Gesicht des Gottessohnes glich hinterher eher dem eines Affen. Das Werk war zerstört, doch das Volk pilgerte nun statt zu "Ecce homo" in Scharen zu "Ecce Monchichi". Der von Aleksandr Vasiliev angerichtete Schaden soll zum Glück zu beheben sein, hatte er doch beim Malen nicht stark auf den Kugelschreiber gedrückt.
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