Unter Jaguaren, Tapiren und Ameisenbären

Wissenschaft per Wildkamera und Laptop: Bürgerwissenschaftler treiben von Deutschland aus die ökologische Forschung in Bolivien voran. Sie identifizieren Tierarten und zeigen, wie deren Lebensraum immer kleiner wird.  

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Tapire sind in Südamerika noch weit verbreitet.  | Foto: imageBROKER/Peter Giovannini via www.imago-images.de
Tapire sind in Südamerika noch weit verbreitet. Foto: imageBROKER/Peter Giovannini via www.imago-images.de
Ein Felsplateau in Bolivien. Gerade noch hat sich der Jaguar am Boden geräkelt. Jetzt steht er und dreht langsam den Kopf. Der Blick trifft die Kamera. Ohne Eile geht er direkt darauf zu. Schließlich groß im Bild: ein Ohr und Schnurrhaare, die quer über dem Bildausschnitt liegen. Kurze Dunkelheit. Die Raubkatze muss die Linse komplett verdeckt haben. Dann blickt ein Auge in die Linse. Und zu guter Letzt tritt der Jaguar nach links ab.

Die Aufnahmen stammen von einer Wildkamera. Es ist eine von rund dreißig, die der Zoologe Martin Jansen mit einem Team von Wissenschaftlern der Frankfurter Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung und einer bolivianischen Forschungsstation betreut. Er hatte zunächst nicht erwartet, dass die Kameras viel bringen, erzählt er. Doch schon am ersten Tag lief ein Jaguar ins Bild. Trotz jahrelanger Forschung in dem Gebiet hatte der Zoologe bis dahin noch nie eines der schönen Tiere zu Gesicht bekommen. Die überraschenden Bilder gaben den Ausschlag: Seit 2017 setzen die Wissenschaftler Wildkameras in größerem Umfang ein. Mitarbeitende in Bolivien lesen sie aus und schicken Videos und Fotos nach Frankfurt.

Inzwischen tauchen Jaguare öfter auf, sogar mit Jungtieren. Tapire, Gürteltiere und Kapuzineräffchen lassen sich ebenso blicken wie Tejus, eine Echsenart, und Capybaras, die aussehen wie riesige Meerschweinchen mit langen Beinen; dazu kommen Ozelot und Puma oder Pekaris, also Wildschweine. 25 große Wirbeltiere werden regelmäßig erfasst.

Die Kameras hängen in einem Trockenwald, in dem mehr als zwei Monate im Jahr Trockenzeit herrscht. Dieser liegt in der Region Chiquitania im Osten Boliviens. Der Zoologe ist schon länger nicht mehr persönlich dort gewesen. Denn mit den Wildkameras kann er seine Arbeit jetzt auch von Frankfurt aus erledigen. Allerdings kommen dort so viele Fotos und Filme an, dass er und sein Team Hilfe bei der Auswertung benötigen – viel Hilfe. Die bekommen sie von Freiwilligen in dem Mitmachprojekt Wild Live. Das Senckenberg-Institut hat diese Citizen-Science- oder Bürgerwissenschaftsaktion 2020 ins Leben gerufen.

"Strom, Laptop und WLan ist alles, was man braucht. Man konnte sich anmelden und gleich loslegen", sagt Wolfgang Dick, der seit 2021 ehrenamtlich bei Wild Live mitwirkt. Er hatte ein "Engagement gesucht, das man zeitlich flexibel bewältigen kann", erzählt der ehemalige Personalvermittler. 750 Freiwillige beteiligen sich Ende November 2022 an dem Projekt. Sie bestimmen Tiere auf Fotos und Filmen. "Eine Software spielt uns Aufnahmen nach dem Zufallsprinzip ein", sagt Dick. Auf den Bildern legen die Bürgerforscher dann einen Rahmen um jedes Tier. Für die Bestimmung der Arten gibt es eine genaue Anleitung. Was ihnen die Software einspiele, sei eine Überraschung, sagt der Freizeit-Zoologe, der mehr als 53.000 Erstauswertungen vorgenommen hat. Die Tiere seien nicht immer gut zu erkennen. "Das ist kein perfekter Tierfilm", aber man sei nah dran – "von zu Hause aus. Das ist faszinierend und spannend."

Der Lebensraum verändere sich dramatisch, sagt Martin Jansen. Wald werde in Weideland umgewandelt. Im Untersuchungsgebiet sei seit 2017 ein Drittel der Fläche abgeholzt worden, davon das meiste seit 2020. Die Wissenschaftler und ihr Team werden auf diese Weise von Chronisten der Biodiversität zu Chronisten ihres Niedergangs.
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