Gesundheit
Trend zur Selbstvermessung: Die App zählt mit
Viele Smartphones werden dazu benutzt, Daten über den eigenen Körper zu sammeln. Sie verraten viel über ihre Besitzer. Sie können Schritte zählen, Daten über das Gewicht sammeln und den Schlafrhythmus erforschen.
Jonas-Erik Schmidt
Mi, 14. Okt 2015, 1:00 Uhr
Computer & Medien
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Andreas Schreiber misst nachts, wie ruhig er geschlafen hat. Sein Smartphone liegt neben ihm auf der Matratze und zeichnet auf, wann und wie oft er sich im Schlaf wälzt. Es sind solide Daten – wenn nur der Vierbeiner nicht wäre. "Ich habe einen Hund, der nachts aufs Bett springt", sagt er. Sein Smartphone, das die Bewegungen auf seiner Matratze misst, bringt das durcheinander. Er notiert dann "Hund auf Bett". Für die Datenanalyse.
Schreiber interessiert sich sehr für Daten, die er selbst über sich sammeln kann. Und er ist nicht der Einzige. Die Geschichte mit dem Hund erzählt er auf einem Treffen der "Quantified Self"-Gruppe in Köln. Solche Gruppen gibt es in vielen Städten. Man tauscht aus, was man über seinen Körper herausgefunden hat. Es ist eine Mischung aus Gesundheitsseminar und Technikshow.
Selbstvermessung liegt im Trend. Täglich werfen Entwickler neue Geräte auf den Markt, mit dem sich das eigene Leben in Zahlen und Grafiken darstellen lässt. Technik, die man am Körper tragen kann, gilt als heißer Wachstumsmarkt. Fitnesstracker, die den Puls messen oder die Schritte zählen, sind längst im Mainstream angekommen.
Schreiber und seine Kölner "Quantified Self"-Gruppe sind eine Art Pioniere der Selbstvermessung. Sie praktizierten es schon zu einer Zeit, als es noch ein Nischenthema war. "Ich habe damals meine Schritte manuell vom Gerät abgeschrieben und auf eine Webseite eingetragen", sagt Schreiber. Heute kann er von einem Stirnband berichten, das angeblich Gehirnströme misst.
Was ist die Motivation dahinter? "Es gibt drei Aspekte: Gesundheit, Fitness, Spieltrieb. Bei mir ist es die Gesundheit und der Spieltrieb", sagt Schreiber. Er fing nach einem Schlaganfall an. "Ich sollte meinen Blutdruck und mein Gewicht aufzeichnen." Nun untersucht er beispielsweise selbst, ob sein Kaffeekonsum Auswirkungen auf seinen Blutdruck hat. Er hat auch eine Firma mitgegründet, um Apps dafür zu entwickeln. Viele in der "Quantified Self"-Szene verbindet diese Art der Technikverliebtheit.
Stefan Selke von der Hochschule Furtwangen hat ein Buch über das Thema geschrieben. Er berichtet von einem Treffen mit einem Selbstvermesser, der sich Sensoren in den Körper implantieren ließ. Damit wird die Körpertemperatur gemessen und die Heizung im Haus darauf abgestimmt. Selke findet diese Entwicklung kritisch. "Unser Menschenbild wird dadurch extrem maschinistisch. Die Illusion, die da mitschwingt, ist die völlige Austauschbarkeit einzelner Faktoren" sagt er. Hinzu kommen handwerkliche Probleme. "Für eine Interpretation braucht man Kontext. Und wenn man den nicht hat, sind die Daten sinnlos", sagt Selke.
Für den Kontext hat Andreas Schreiber momentan noch seinen Arzt. Der freue sich bei seinen Terminen über all die Daten. "Er kann so viel bessere Entscheidungen treffen", sagt Schreiber. "Er will nur nicht, dass ich ihm vorschreibe, was für Medikamente ich bekommen soll", so Schreiber.
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